Berlin. Die Essenerin Daniela Samulski macht es Britta Steffen nach und trumpft bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin über 50 Meter Rücken sensationell stark auf. Nun darf sie sich Weltrekordlerin nennen.

Diesen Freitag wird Daniela Samulski in ihrem Leben nicht mehr vergessen. Aber nicht nur, weil sie sich jetzt Weltrekordlerin nennen darf. So glücklich die Essener Schwimmerin am Ende des Tages war, so sehr lagen die Nerven kurz vor ihrem Start blank. „Mir ist fünf Minuten vor dem Finale der Anzug geplatzt”, erzählte sie später. Ein 15 Zentimeter langer Riss an ihrem nagelneuen Anzug hatte fast schon alle Titel- oder gar Rekordträume platzen lassen. „Wir haben dann notfallmäßig das Modell mit Tapestreifen und Sprühpflaster zusammengeflickt”, beschrieb ihr Essener Trainer Henning Lambertz die Erste-Hilfe-Aktion für das 400 Euro teure High-Tech-Textil.

„Vielleicht brauchte ich diesen Adrenalinschub”, sagte Samulski, „aber zunächst hatte ich mal Panik.” Mit 27,61 Sekunden stellte die Essenerin einen neuen Weltrekord auf, nachdem sie einen Tag zuvor bereits die europäische Bestmarke gesteigert hatte.

In diesen Tagen dreht sich im Schwimmen alles um die schnelle Pelle, um die neuesten Entwicklungen im Anzugbereich. „Diese Entwicklung macht den Schwimmsport kaputt”, sagte Helge Meeuw. Obwohl er gerade den Deutschen Rekord über 50 Meter Rücken verbessert hatte, „ich will nicht länger in diesen Plastikmüllbeuteln schwimmen.”

Sehnsucht nach den guten alten Zeiten

Auch Daniela Samulski sehnt sich nach den guten alten Zeiten zurück. „Am liebsten wäre es mir, wenn wir alle wieder in einem ganz normalen Badeanzug schwimmen würden”, sagte Samulski, „dann würde nicht mehr nur über High-Tech-Anzüge, sondern auch über unsere sportlichen Leistungen gesprochen.”

Nach Britta Steffen, die über 100 Meter Freistil einen Weltrekord aufstellte, hat der Deutsche Schwimm-Verband mit Daniela Samulski eine zweite Sportlerin, die im Moment die Nummer eins der Welt ist. Aber aus dem Schatten der Doppel-Olympiasiegerin wird Samulski nur schwer herauskommen.

Von der Mentalität sind sich Steffen und Samulski ähnlich. Beide lieben nicht das helle Scheinwerferlicht. Und so wie Britta Steffen legte auch die Essenerin schon mal eine längere Wettkampfpause ein. Als 16-Jährige galt Samulski als riesiges Talent. Die Schwimm-Welt schien ihr offen zu stehen. Aber dann warf sie eine Bulimie aus der Bahn. Zwei Jahre lang kämpfte sie mit den Essstörungen, ehe sie 2005 von Berlin wegging und bei Henning Lambertz, damals noch Trainer in Wuppertal, einen Neuanfang wagte. „Ich musste lernen, dass ich kein schlechter Mensch bin, nur wenn ich mal eine nicht so gute Zeit geschwommen bin”, sagte Samulski damals. „Keine andere Schwimmerin hat solch ein Bewegungstalent und Wassergefühl”, wusste Lambertz und führte Samulski behutsam an die Weltspitze.

Sie steht wieder mit beiden Beinen auf dem Boden

Inzwischen hat Daniela Samulski nicht nur den sportlichen Reifeprozess abgeschlossen, sondern steht auch im Leben mit beiden Beinen fest auf dem Boden. So fest, dass sie die Kraft hat, um wieder von Essen nach Berlin zurückzukehren. Sie hat ihre Bundeswehrzeit abgeschlossen und will im Oktober ein Sozialpädagogik-Studium beginnen. „Ich spüre einen inneren Antrieb, etwas Neues zu machen”, sagte sie, „ich will aber weiter für Essen starten.” Ist das Heimweh so groß oder das Revier so schlimm? „Nicht schlimm, aber anders”, sagte Daniela Samulski, „ich will einfach zurück zu meiner Familie.” Am liebsten natürlich als Weltmeisterin.