Essen. Nun ist es amtlich: Tausende Beschäftigte der insolventen Karstadt-Mutter Arcandor müssen ab Herbst um ihren Arbeitsplatz bangen. Zudem droht die Zerschlagung des traditionsreichen Essener Handels- und Reisehauses – auch wenn sich Konzernchef Karl-Gerhard Eick bisher dagegen stemmt.

„Es wird letzten Endes auch betriebsbedingte Kündigungen geben”, kündigte Sanierungsexperte Klaus Hubert Görg gestern bei seinem ersten großen Auftritt als Arcandors vorläufiger Insolvenzverwalter an. Möglich ist das ab dem 1. September. Denn dann dürfte Arcandors Insolvenzverfahren eröffnet und die Mitarbeiter wieder von den Essenern selbst bezahlt werden.

Derzeit erhalten sie von der Bundesagentur für Arbeit noch bis Ende August Insolvenzgeld – laut Görg ein dreistelliger Millionenbetrag und damit eine „gewaltige Kapitalspritze für ein insolventes Unternehmen”.

Standort-Schließungen drohen

Mitarbeiter der Warenhaus-Sparte sowie deren Kunden müssen sich darauf gefasst machen, dass einzelne kriselnde Karstadt-Filialen dicht gemacht werden. Was aus Arcandor wird, ist ungewiss. Ein Sanierungskonzept gibt es noch nicht.

Görg plant „im Augenblick” keinen Verkauf von Tochtergesellschaften oder Sparten. Interessenten gibt es bereits: Der Handelskonzern Metro will Karstadt-Filialen haben. Das weltgrößte Versandhandelshaus Otto liebäugelt mit Arcandors Spezialversendern und Karstadt-Sport-Läden. Der Lebensmittel- und Touristikkonzern Rewe äugt auf Arcandors Reiseanbieter Thomas Cook.

"Ballast abwerfen"

Konzernchef Eick will verhindern, dass Arcandor zerschlagen wird. Ein Insolvenzverfahren berge die „einzigartige Chance, Ballast abzuwerfen und sich von alten Verträgen zu befreien”, betont er. „Wir haben als Unternehmen sicherlich eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg.”

Der erfahrene Sanierungsfachmann Görg (68) ist vorsichtiger: „Ob Arcandor als Ganzes zu retten ist, kann ich Ihnen heute auch nicht sagen.”

Problemfall Quelle

Görgs dringendstes Problem ist momentan allerdings der Versandhändler Quelle, der ebenfalls Gläubigerschutz beantragt hat. Der Versandhändler kann derzeit keine Waren mehr bestellen – Kunden schon – und seinen aktuellen Katalog weder fertig drucken noch an Kunden senden lassen. Der Katalog sei aber die „Existenzgrundlage des Versandhandels”, betont Görg.

Die Lage ist also ernst. Der Hintergrund: Quelle schickt seinen Kunden die Rechnungen nicht selbst und kassiert von ihnen das Geld, sondern überlässt dieses „Factoring” der Valovis Bank. Diese laut Görg einzige Finanzquelle des Versandhändlers ist versiegt: Die Essener Bank brauche auf Drängen der Finanzaufsichtsbehörde Bafin rasch Sicherheiten, um weiter Geschäfte mit der unter Gläubigerschutz geflüchteten Arcandor zu machen, sagte ein Sprecher Görgs. Es gehe um 50 Millionen Euro Staatsbürgschaft.

Görg nennt die Lage für Quelle „kriegsentscheidend”. Er kümmere sich derzeit fast ausschließlich um die dringend benötigte Staatsbürgschaft für Valovis. Die Essener Bank, zu der auch die MasterCard-Herausgeberin Karstadt-Quelle Bank gehört, war einst Teil des Essener Traditionskonzerns. Seit 2005 ist sie rechtlich eigenständig.

Gespräche mit Mitarbeitern

Görg und sein Team müssen nicht nur Quelles Geldproblem lösen. Sie müssen mit Lieferanten sprechen, damit diese Arcandor die Treue halten. Und mit Banken und Warenhaus-Vermietern wegen aus Konzernsicht zu hoher Mieten. Und mit den Arcandor-Beschäftigten, die um ihren Job zittern. „Mit den Arbeitnehmern habe ich mich leider nicht ausreichend treffen können”, sagt Görg. Doch er glaubt: „Ihre Geisteshaltung, für das Unternehmen zu stehen, hat sich nicht geändert.”