Bochum/Essen. Dem Fleischunternehmer und Schalke-Chef Clemens Tönnies droht eine Anklage wegen Betrugs. Der Verdacht: In der Tönnies-Fleischfabrik sei der Rinderanteil in Hackfleischmischungen geringer als vorgeschrieben gewesen. Allerdings ist es dubios, wie der Fall ins Rollen kam.

Clemens Tönnies kämpft, und an seiner Seite kämpft sein Anwalt. Sven Thomas ist einer der bekanntesten und gewieftesten Strafverteidiger Deutschlands. Das hat der hochgewachsene Mann mit dem weiß-grauen Haar nicht zuletzt im Mannesmann-Verfahren bewiesen, als er den einstigen Vorstandschef Klaus Esser weitgehend rausboxte und der Staatsanwaltschaft Düsseldorf eine Schmach zufügte.

Etwa 50 Beschuldigte

Dieses Mal hat es Thomas mit der Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität zu tun, die gegen Tönnies wegen Betrugsverdachts ermittelt. Ein verwickeltes, teils abstrus verlaufendes Verfahren gegen etwa 50 Beschuldigte, das auf einen Showdown zusteuert.

Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Toennies. Foto: ap
Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Toennies. Foto: ap © AP

Begonnen hatte es mit einem Strauß von Vorwürfen, inzwischen ist es weitgehend zusammengeschrumpft auf den Verdacht, in der B + C Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG sei der Rinderanteil in Hackfleischmischungen unter die vorgeschriebenen 45 Prozent geschoben worden. Was Tönnies, vielen als Aufsichtsratschef von Schalke 04 bekannt, strikt zurückweist.

Ermittlungen dauern schon zwei Jahre

Das Angebot der Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen Strafbefehl und ein Jahr auf Bewährung einzustellen, lehnten Tönnies und Thomas ab (WAZ v. 6.2.). Der zweitgrößte deutsche Fleischhersteller, dessen Produkte in fast allen Lebensmittelregalen liegen, will nicht als vorbestraft gelten. Seine Kunden sind sensibel. Und so kämpft er weiter in diesem Verfahren, das die Ausmaße eines verworrenen Wirtschaftskrimis angenommen hat. Die Ermittlungskommission „Fish” des Landeskriminalamtes ermittelt seit rund zwei Jahren gegen den Fleisch-Magnaten. Am Anfang stand Richard W. Der war bis zum Rausschmiss bei Tönnies angestellt, heuerte später beim größten Wettbewerber Vion an – und verfasste ein anonymes Dossier mit Anschuldigungen, die das Verfahren in Gang setzten. Das riecht streng. War W. ein Söldner im Auftrage von Vion?

Tönnies argwöhnt jedenfalls diese üble Machenschaft, schließlich hatte er W. wegen Untreue angezeigt, und der ist auch verurteilt worden. Die Holländer um Vion, so Tönnies, wollten ihn „fertigmachen”, um sein Unternehmen aufzukaufen. Ein Übernahmeangebot von Vion über 1,3 Milliarden habe man ihm erstmals im Düsseldorfer Parkhotel unterbreitet. Da könne es kein Zufall sein, wenn W. bei Vion auf der Gehaltsliste steht.

Informant wurde tot aufgefunden

W. wurde unlängst tot in einem Hotel gefunden, verstorben eines natürlichen Todes. Das, so die Staatsanwaltschaft Bochum, habe keinen Einfluss auf die Ermittlungen.

Anwalt Sven Thomas bringt jetzt allerdings gewaltiges Geschütz gegen die Ermittler in Stellung: Die ganze Geschichte, heißt es in Schriftsätzen und in einem Schreiben an die NRW-Justizministerin, sei der Bochumer Staatsanwaltschaft zugeschanzt worden. Mit Hilfe einer anonymen Strafanzeige, an der der Oldenburger Staatsanwalt Südbeck – zufälligerweise ehemals in der Staatsanwaltschaft Bochum beschäftigt – mitgewirkt habe.

Einleitung des Verfahrens "staatlich inszeniert"

„Unter gröblicher Missachtung rechtstaatlicher Grundsätze” sei die Zuständigkeit manipuliert, die Einleitung des Verfahrens „staatlich inszeniert” worden. Die Ermittler hätten sich nicht die geringste Mühe gegeben, die Verbindung des anonymen Informanten zum Vion-Konzern aufzuarbeiten und die Glaubwürdigkeit von W. zu prüfen. Die Staatsanwaltschaft müsse das Ermittlungsverfahren „wegen eines Verfahrenshindernisses” einstellen.

Das sehen die Ermittler anders. In Bochum sei mit Blick auf „strafrechtliche Voraussetzungen alles ordnungsgemäß” gelaufen. Zu den Vorgängen in Oldenburg könne man sich nicht äußern. Im übrigen sei man sich der Problematik einer anonymen Anzeige bewusst. „Wir waren bestrebt, nur Beweise zu erheben, die losgelöst vom Anzeigenerstatter sind”, so Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek. Auch bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm, die den Fall nach Bochum verwiesen hat, sieht man keinerlei Reaktionsbedarf auf den Antrag von Thomas. Die Entstehungsgeschichte, so Elke Adomeit, „hat keine Folgen für das Verfahren”.

Es sieht so aus, als seien die Staatsanwälte wild entschlossen, Anklage gegen Tönnies zu erheben. Was das für ihn bedeuten kann, hat die Süddeutsche Zeitung so formuliert: „Ob Tönnies diesen Fall als Unternehmer überlebt, wird vermutlich am Ende nicht vom Ausgang des Strafverfahrens, sondern vom Urteil der Discounter über die Causa abhängen.”