Berlin. Die Olympiasiegerin von Peking steht im Mittelpunkt der Deutschen Schwimm-Meisterschaften in Berlin. An der Uni fällt sie kaum auf - denn sie büffelt in den Wettkampfpausen für ihr Studium zum Wirtschaftsingenieur für Umwelt.
Als Britta Steffen im Januar 2009 bei „Wetten dass” im eleganten Abendkleid auf der Promi-Couch saß, da beugte sich ein kleiner, aber ziemlich berühmter Mann zu ihr herüber und flüsterte der blonden Berlinerin etwas ins Ohr. Nein, Tom Cruise, der Hollywoodstar, wollte ihr nichts von der Scientology-Bewegung erzählen, er wollte ihr einfach nur sagen, dass er ihre Rennen während der Olympischen Spiele in Peking vor dem Fernsehschirm verfolgt habe. „Der kannte mich! Damit hätte ich nicht gerechnet”, wundert sich die Schwimmerin noch heute.
Die Anekdote ist typisch für Britta Steffen. Sie nimmt sich nicht so wichtig, obwohl sie Deutschlands Sportlerin des Jahres ist und im Gegensatz zu ihrer früheren Trainingskollegin Franziska van Almsick auch bei Olympischen Spielen dieses so begehrte Gold gewonnen hat. Nicht einmal, sondern gleich zweimal, über 50 und 100 Meter Freistil.
Erster Auftritt seit Peking
„Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, Olympiasiegerin zu sein. Es ist ein Kindheitstraum, der sich plötzlich erfüllt. Olympiasieger ist man ein ganzes Leben lang. Das kann dir keiner mehr nehmen”, sagt Steffen. Sie ist der Star des deutschen Schwimmsports, aber sie lebt ihre Ausnahmestellung nicht aus. Natürlich steht Britta Steffen auch vor den Deutschen Meisterschaften vom heutigen Mittwoch bis Sonntag in Berlin im Mittelpunkt, aber sie drängt sich nicht dorthin. Im Gegenteil: Der Frau mit dem unscheinbaren hellen Kapuzenpullover und der Jeans schien es gestern fast peinlich zu sein, als nur sie und nicht auch die neben ihr sitzende Essenerin Daniela Samulski vor die Fernsehkameras gebeten wurde. Immerhin hat Samulski in den vergangenen Wochen viermal den Deutschen Rekord über 50 Meter Rücken verbessert. „Geltungssucht ist überhaupt nicht mein Ding”, sagt Britta Steffen, „heutzutage geht es vor allem um Eitelkeiten. Da finde ich es angenehm, wenn jemand auch die Bedürfnisse anderer wahrnimmt.”
Für Britta Steffen sind die nationalen Titelkämpfe der erste Auftritt in der Schwimm-Szene seit zehn Monaten, seit ihrem Doppel-Gold von Peking. „Ich bin total entspannt, weil mir das Schwimmen so viel Spaß bereitet wie nie”, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln, „ich habe als Sportler alles erreicht, was man erreichen kann.” Aber dann fällt der 25-Jährigen ein, dass ihr ein Titel in der Sammlung noch fehlt: „Ich war noch nie Weltmeisterin. Das würde ich natürlich gerne in diesem Sommer in Rom nachholen. Meine Konkurrentinnen haben jedoch das gleiche Ziel.”
Nach ihrem Triumph in Peking hat Britta Steffen eine längere Pause eingelegt. Statt von einer Talkshow zur anderen zu tingeln, hat sie sich verstärkt ihrem Studium gewidmet. Manche sagen, sie hätte sich besser vermarkten können, doch Steffen ist bestrebt, Sport, Studium und Werbung unter einen Hut zu bringen. „Ich will keine Langzeit-Studentin sein”, sagt sie. Und es ist alles andere als ein Lippenbekenntnis. Die Wettkampftage sind streng eingeteilt. Vor, zwischen und nach den Rennen büffelt sie für ihr Studium zum Wirtschaftsingenieur für Umwelt. „Am Montag muss ich eine Klausur schreiben”, erzählt sie, „Studium und Beruf zu verbinden, das ist eine Frage der Organisation. Das klappt sehr gut, weil ich sehr diszipliniert bin. Disziplin habe ich im Sport gelernt.”
An der Uni ist sie die Britta und nicht die Doppel-Olym-piasiegerin und Sportlerin des Jahres. „An der Uni falle ich kaum auf”, sagt sie, „vor allem, weil die meisten denken, Schwimmerinnen müssen breitschultrig und stämmig sein. Da passe ich nicht ins Bild.” Der Campus ist eine medienfreie Zone. Natürlich hat es schon reichlich Anfragen gegeben. Ein Tag mit der Studentin Britta Steffen, das wäre eine interessante Geschichte für das Fernsehen und die Zeitungen. Solche Anfragen lehnt sie ab. Medienaufmerksamkeit zu jedem Preis, das ist nicht ihr Ding. Aber im Schwimmbecken will sie wieder für Schlagzeilen sorgen. Jetzt in Berlin, dann in Rom. Vielleicht schaut auch Tom Cruise wieder zu.