Berlin. Für Alexander Kirchner, Chef der Bahn-Gewerkschaft Transnet, ist klar: Die Bahn AG ist wegen ihrer hohen Milliarden-Schulden nicht reif für die Börse. Damit wären Pläne von CDU, CSU und FDP unmöglich, einen Teil des Unternehmens zu privatisieren.

Die mit 15 Milliarden Euro Schulden belastete Deutsche Bahn AG ist nach Ansicht von Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn-Gewerkschaft Transnet, nicht reif für die Börse. „Die Zahlen des Unternehmens geben das nicht her”, sagte Kirchner im Gespräch mit der WAZ.

Kirchner wies damit Pläne von CDU, CSU und FDP zurück, einen Teil des Unternehmens, das sich heute zu 100 Prozent im Staatsbesitz befindet, zu privatisieren. Zwar sind die künftigen Koalitionspartner in einem Papier der zuständigen Arbeitsgruppe vom Vorhaben eines möglichst schnellen Börsengangs abgegangen. Dennoch soll „zum geeigneten Zeitpunkt eine schrittweise ertragsoptimierte Teilprivatisierung” erfolgen. Kirchner sagte: „Bei dem hohen Schuldenstand bekommt die Bahn heute nur noch deshalb billige Kredite, weil sie dem Bund gehört. Für ein privatisiertes Unternehmen würden sie viel teurer sein.”

Kein funktionierendes Beispiel

Die Gewerkschaft Transnet leistet auch massive Gegenwehr gegen Forderungen der Monopolkommission und der EU-Kommission an die Bundesregierung, in Deutschland Schienennetz und Betrieb unternehmerisch zu trennen. „Es gibt in ganz Europa kein einziges Modell, von dem man sagen könnte: Es funktioniert. Die Bahn ist ein zusammenhängendes System”, warnte Kirchner.

Transnet verteidigt vehement den internen Arbeitsmarkt des Gesamtkonzerns. Auch dieser sei bei einer Netz-Betrieb-Trennung in Gefahr, sagte Kirchner. „In der jetzigen Wirtschaftskrise bietet er Kollegen im besonders hart getroffenen Güterverkehr die Möglichkeit, im Rangierdienst oder als Fahrdienstleiter tätig zu sein. Wie soll das noch gehen, wenn die Unternehmen getrennt werden?” Auch die künftige Koalition will sich offenbar für einen Erhalt dieses Arbeitsmarktes einsetzen. Das geht aus den bisher vorliegenden Beratungsergebnissen hervor, die entgegen ersten Absichten einen integrierten Konzern vorsehen.

Die Bahn-Gewerkschaft ist mit dem neuen DB-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube bislang zufrieden. „Er hat einen guten Einstieg gehabt und bei der Bewältigung des Datenskandals auch einen guten Job gemacht", sagte Kirchner. „Er steht für einen Neuanfang” und gehe – anders als Vorgänger Hartmut Mehdorn – auf die Belegschaft zu. „Ihm ist die Familie der Eisenbahner wichtig.” Dennoch erwartet Transnet Auseinandersetzungen, „wenn es zum Beispiel um die Fortsetzung der Beschäftigungsgarantie geht, die Ende 2010 ausläuft. Dann kommen die konfliktreicheren Themen”. Allein 10 000 Jobs von Eisenbahnern seien abzusichern, die Kurzarbeit leisteten.

Plädoyer für Müller

Transnet macht sich für einen Verbleib von Aufsichtsratschef Werner Müller stark, den die neue schwarz-gelbe Bundesregierung ablösen will. Kirchner: „Man will ihn wohl aus politischen Gründen nicht mehr haben. Ich habe kein Argument gehört, dass sich gegen seine Sacharbeit als Aufsichtsratsvorsitzender richtet.”

Offenbar braucht die Gewerkschaft Rückendeckung für mehrere Herausforderungen in naher Zukunft. Nicht nur, dass die neue Koalition Fernbuslinien zulassen will. Nach einer EU-Gesetzgebung können ab 2010 auch ausländische Bahngesellschaften dem Fernverkehr auf innerdeutschen Strecken Konkurrenz machen. „Dann sinken durch Wettbewerb auf lukrativen Strecken zwar die Preise, andere gehen aber leer aus”, so Kirchner. Ein „Deutschland-Takt”, der auch die Anbindung kleinerer Städte sicherstelle, könne da Nachteile für ganze Regionen verhindern.