Frankfurt/Main. Bahnbrechende Zusammenarbeit: Die Gewerkschaften Transnet und GDBA werden künftig als eine Gewerkschaft auftreten. Die Interessensvertretungen der Bahner hatten schon in der Vergangenheit zusammenarbeitet. Die Lokführergewerkschaft GDL fährt jedoch weiter allein.

Der Vorgang wird gerne mit dem Begriff «juristische Sekunde» umschrieben: Zwei Organisationen lösen sich auf, nur um unmittelbar danach zusammen eine neue zu gründen. So etwas wird Ende 2010 passieren, wenn es nach dem am Freitag erklärten Willen der Spitzengremien der Gewerkschaften Transnet und GDBA geht. Dann werden Gewerkschaftstage am selben Ort ihre Auflösung beschließen und sich gleich danach gemeinsam zur Gründungsversammlung einer neuen Verkehrsgewerkschaft treffen.

Transnet hat zurzeit 230.000 und die GDBA (die Abkürzung steht für Gewerkschaft der Bundesbahnbeamten, Angestellten und Anwärter, wird aber nicht mehr ausgeschrieben) 40.000 Mitglieder. Der demografische Faktor schlägt auch hier gnadenlos zu: Wegen des anhaltenden Stellenabbaus seit der Vereinigung von Bundes- und Reichsbahn 1994 ist die Hälfte von ihnen inaktiv.

Dennoch weisen beide die Argumentation der dritten Bahngewerkschaft GDL zurück. Deren Chef Claus Weselsky hatte eine Beteiligung an dem Zusammenschluss unter anderem deshalb abgelehnt, weil er nur der Kaschierung chronischen Mitgliederschwunds diene. Die Transnet hält den berufsständischen Vertretungsansatz der GDL für falsch, wie ihr Vorsitzender Alexander Kirchner am Freitag in Frankfurt sagte. Er meinte, es wäre schön, wenn bei der Lokführergewerkschaft ein Umdenken einsetzen würde. Und GDBA-Chef Klaus-Dieter Hommel zeigte sich sicher, dass sich die GDL irgendwann «anschließen» werde.

Erstmals gehen DGB- und DBB-Gewerkschaft zusammen

Der Übergang ist zugleich ein historischer Moment für die deutsche Gewerkschaftslandschaft: Zum ersten Mal schließen sich eine Organisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB und des Deutschen Beamtenbundes DBB zusammen. Diese beiden Dachverbände sind traditionell die Antipoden in der Arbeitnehmerschaft: Der DGB eher links, der Beamtenbund eher konservativ. An dem Gegensatz arbeiteten sich Funktionäre, vor allem auch in den Dachorganisationen, jahrzehntelang ab.

Nach Ansicht der Vorsitzenden Kirchner und Hommel stört der Gegensatz aber sehr beim Erreichen gemeinsamer Ziele. Beide Gewerkschaften fanden sich schon vor Jahren, als der Transnet-Chef noch Norbert Hansen hieß, zu einer Tarifgemeinschaft zusammen. Erste Fusionspläne wurden durch unvereinbare Positionen Hansens und des DGB, insbesondere des ver.di-Chefs Frank Bsirske, zur Bahnprivatisierung zunichtegemacht. Nachdem jedoch Hansen gegangen, die Privatisierung vorerst auf Eis gelegt und die Haltung der Transnet dazu deutlich kritischer geworden ist, sieht der DGB keine Hinderungsgründe einer Verschmelzung.

Zumal die neue Gewerkschaft unter das Dach des DGB schlüpfen wird, weil der Beamtenbund eine Doppelmitgliedschaft ablehnt. Der DGB wertet es dagegen positiv unter dem solidarischen Ansatz «ein Betrieb, eine Gewerkschaft». Es konzentriert die Schlagkraft auf den Arbeitgeber und bietet diesem weniger Möglichkeiten, Keile in die Arbeitnehmerschaft zu treiben.

Noch viele Hausaufgaben

So hat der Vorsitzende der kleineren GDBA nach eigener Einschätzung noch viele Hausaufgaben vor sich. Er muss in dem verbleibenden Jahr bis zur tatsächlichen Verschmelzung noch viele in der Seele konservative Mitglieder überzeugen, dass sie das auch bleiben können, aber dass man mehr aus Tarifauseinandersetzungen herausholen kann, wenn man Teil einer größeren Organisation ist. Die jahrelange Zusammenarbeit müsse zwangsläufig auf eine Verschmelzung hinauslaufen, argumentiert er. Außerdem ist die Zahl der Beamten unter den Eisenbahnern stark rückläufig.

Angesichts des Umstandes, dass die neue Organisation eine «Verkehrsgewerkschaft» sein soll - wie sich die GDBA heute schon nennt - wird Kirchner mit Hommel im DGB einiges zu tun haben, um im Konsens eine klare Abgrenzung eben zu ver.di herzustellen. Die organisiert nämlich Personal, das ursprünglich aus dem öffentlichen Dienst außerhalb von Bundes- und Reichsbahn stammt, etwa aus Kommunen und Ländern. Da gibt es inzwischen auch Eisenbahngesellschaften. Und auch angesichts internationaler Transportketten quer durch alle Verkehrsträger wirkt der Begriff «ein Betrieb» zunehmend sinnleer.

Hommel und Kirchner sind sich einig, dass die Konfrontation zwischen «konservativer» und «fortschrittlicher» Gewerkschaftsbewegung inzwischen anachronistisch ist. Hommel ist allerdings wenig optimistisch, dass der DBB mit seinen mehr als 40 Einzelorganisationen diese Einsicht übernimmt und prophezeit, dass das über kurz oder lang zur Auflösung des Dachverbandes führen kann.

Beide Gewerkschaftsführer geben sich optimistisch, dass sie bis zu den entscheidenden Gewerkschaftstagen die erforderlichen Mehrheiten für ihr Ansinnen herstellen können. Bis dahin müssen aber auch noch andere Fragen geklärt werden. Etwa, wie vermieden wird, dass sich die relativ wenigen GDBA-Leute in der neuen Organisation von der Transnet untergebuttert fühlen. In Frankfurt sprachen die Gewerkschaftschefs von einer Kooperation «in Augenhöhe».