Augsburg.
Augsburg. Zehn Jahre nach seiner Flucht ist der Waffenschieber Karlheinz Schreiber wieder in Deutschland. In der Justizvollzugsanstalt Augsburg sitzt er nun in Untersuchungshaft.
Es ist der 5. November 1999. Das Kabinett Schröder/Fischer steckt im Umfragetief. Kann Rot-Grün die nächsten Wahlen überhaupt bestehen? Da stellt sich Walther Leisler-Kiep, einst CDU-Schatzmeister und wegen Steuerhinterziehung per Haftbefehl gesucht, den Fahndern. Er erzählt: Ein Mann namens Karlheinz Schreiber habe ihm 1991 eine Million D-Mark in bar in einem Koffer übergeben. Als Spende für seine Partei.
Ex-Teppichhändler und Lobbyist
Der 5. November 1999 ist der Tag, an dem die Christdemokraten, die von der schnellen Rückkehr ins Kanzleramt träumten, von ihrer großen Parteispendenaffäre kalt erwischt werden. Und erstmals hört auch die Öffentlichkeit von diesem Herrn Schreiber.
Beruf: Ex-Teppichhändler. Lobbyist. Waffenschieber. Strippenzieher. Wesentliche Tätigkeit: Politikern Geldgeschenke machen. Aufenthaltsort: Nach der Flucht über die Schweiz neuerdings Kanada, dessen Staatsbürgerschaft er neben der deutschen besitzt.
Untersuchungs-Ausschuss hat kaum Licht gebracht
Karlheinz Schreiber redet viel, hat in seinem von den Augsburger Ermittlern sichergestellten Terminkalender reichlich aufgeschrieben, wann er wen kontaktierte und in welcher Sache. Man liest zum Beispiel unter dem 14. Januar 1997: „Brief: Kohl, Mulroney, Steuergeheimnis”. Oder auch: „Maxwell” - die verklausulierte Spende an Strauß-Sohn Max.
Es sind solche kryptischen Stichworte, die der Union Probleme machen. War Karlheinz Schreiber, CSU-Mitglied und Vertrauter des legendären Franz-Josef Strauß, der Manager großer Schiebereien, die sich die Kohl-Partei in der unmittelbaren Nacheinheitszeit erlaubt haben könnte?
"Jetzt wird er endlich auspacken"
Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags hat kaum Licht in den Wust von Ungereimtheiten gebracht. Bis heute halten sich Beschuldigungen, Verdächtigungen, Verschwörungstheorien. Schreiber selbst befördert sie gern. Beweise? Gibt es kaum. Er hat sich zehn Jahre gegen seine Auslieferung gewehrt. Jetzt wird er „endlich auspacken”, erwartet der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Schreiber in der Haft für kaum widerstandsfähig hält.
„Er wird Wind machen, um von der eigenen Schuld abzulenken”, sagt dagegen Andreas Schmidt, Ex-Obmann der Union im Untersuchungsausschuss. Schmidt spricht aus Erfahrung. Er hat Schreiber in Kanada befragen dürfen - mit magerem Resultat.
Doch wer muss sich vor dem Wind hüten? Welche Namen werden im Verhör fallen, welche Vorgänge Thema sein?
Der Fall Schäuble. Der heutige CDU-Innenminister bekam von Schreiber 100.000 D-Mark als Bar-Spende. Waren die 100.000 D-Mark ein Dankeschön? Wo sind sie geblieben? Sicher nur: Die Angelegenheit kostete Schäuble den Parteivorsitz, machte den Weg frei für Angela Merkel nach ganz oben.
Der Fall Bearhead. Die 100.000 D-Mark könnten in Zusammenhang mit dem Bau einer Panzerfabrik in Kanada stehen, mutmaßen Politiker aus dem rot-grünen Lager. Schreiber machte dafür „Gut Wetter”. Sein Engagement in dieser Sache ist unumstritten. Auch in Kanada „bearbeitete” er die Politik mit Barem.
Der Fall Pfahls. Der damalige Verteidigungs-Staatssekretär bekam vom Rüstungslobbyisten 3,8 Millionen D-Mark - wohl Schmierstoff, um ein schnelles regierungsamtliches Ja zu Panzerlieferung nach Saudi-Arabien zu ermöglichen. Als die Sache aufflog, setzte sich Pfahls nach Asien ab, stellte sich später, wurde wegen Vorteilsnahme und Steuerhinterziehung verurteilt. Die Strafe brauchte er nicht abzusitzen. Was hinter der aufwändigen Flucht steckte, wer außer Pfahls eingeweiht war? Schreiber könnte mehr wissen.
Kannte Kohl Schreiber besser als bisher bekannt?
Der Fall Leuna. Die Ost-Raffinierie wurde nach der Wende privatisiert. Der französische Elf-Konzern bekam den Zuschlag. Bei der Vergabe mitgemischt haben auch die inzwischen verstorbene CDU-Politikerin Agnes Hürland - und Schreiber. Wie weit?
Zusätzlichen Stoff liefert möglicherweise eine Information, die Ströbele hat: Kanadas Ermittler hätten bei Schreiber weitere Terminkalender gefunden, sagte er der WAZ-Mediengruppe. Den Namen Kohl könne man dort öfter lesen. Kannte Kohl Schreiber besser als bekannt?
Schreiber hat jetzt Zeit, sich genauer zu erinnern. In neun Quadratmetern Zelle.
- Diskussion: Die Affaire Schreiber