Stockholm. Piraten an der Küste Somalias sind nichts Neues. Bemerkenswert hingegen ist, dass nun erstmals seit den Raubzügen der gefürchteten Wikinger vor über tausend Jahren nordeuropäische Gewässer wieder unsicherer zu werden scheinen.

Am Freitagmorgen wurde ein Coup bekannt, der sich schon sieben Tage zuvor zutrug: Acht bis zehn Piraten hatte am Freitagmorgen der vergangenen Woche in schwedischem Seehoheitsgebiet nahe der Insel Öland das Frachtschiff „Arctic Sea” mit einem gemeinen Trick gekapert.

Die maskierten, schwarz gekleideten und schwer bewaffneten Seeräuber hatten einfach das Wort „Polizei” (schwedisch: „Polis”) in weißer Farbe an die Außenwände ihres Schnellbootes gesprüht. Der Schiffsbesatzung riefen die Seeräuber in stark gebrochenem Englisch zu, dass man an Bord wolle, um das Schiff nach Drogen zu durchsuchen. Die russische Besatzung des finnischen Frachters, der unter maltesischer Flagge fuhr und Bauholz vom finnischen Jakobstad ins algerische Bejaia transportieren sollte, ließ die Seeräuber einfach an Bord. ´

Zähne ausgeschlagen

Die Piraten nahmen die Mannschaft zwölf Stunden lang gefangen. Dabei soll es zu Misshandlungen gekommen sein. Die 15 russischen Seemänner sollen zunächst völlig perplex gewesen sein, dass so etwas in der Ostsee passieren kann. Einige versuchten sich zu wehren, wurden aber festgebunden und mit Gewehrkolben geschlagen. Die Piraten durchsuchten dann das Schiff nach Beute. Laut Rederei sollen die Seemänner bis auf blaue Flecken und fehlende Zähne im Großen und Ganzen wohlauf sein. Die Fahrt wurde später fortgesetzt. Laut ersten Angaben der Polizei sollen die Piraten seltsamerweise nichts Wertvolles von dem Frachter mitgenommen haben. Außer Baumstämmen hatte das Boot offiziell nichts geladen. Es sei denn, da war noch etwas, das nicht auf dem Frachtpapieren des Schiffes vermerkt war, spekuliert man in Schweden. Warum sollten die Seeräuber sonst in der gut bewachten Ostsee ein solch hohes Risiko auf sich nehmen?

Auch bei der finnischen Rederei Solchart Management, Eigentümer der „Artic Sea”, war die Überraschung groß, denn ihre Schiffe verkehren normalerweise nicht in Gewässern, in denen Piraten vorkommen. „Ich war mehr als verwundert, als ich hörte, was passiert war. Ich habe mehrmals mit den Besatzungmitgliedern geredet. Ihnen geht es soweit gut. Das Schiff ist wieder auf Kurs zum Zielhafen”, sagte Reedereichef Victor Matveev. Er meldete den Fall letzte Woche zunächst nur der russischen Botschaft in Helsinki, die mit Verspätung die skandinavischen Behörden informierte. Deshalb wurde der Fall erst jetzt bekannt.

Kein Notsignal

„Die Besatzung muss wirklich geglaubt haben, dass die Piraten die an Bord kamen, Polizisten waren. Denn sie hat keinerlei Notsignal an die schwedische Küstenwache geschickt", sagte Ermittler Ingemar Isaksson von der schwedischen Bundespolizei „Rikskriminalen”. Der Polizist zeigte sich überrascht. „Auch wenn es eine berüchtigte Piraten-Tradition bei den Wikingern gab, liegt diese doch sehr lange zurück. Ich habe noch nie zuvor von einem vergleichbaren Fall in Schweden gehört", so Ermittler Isaksson gegenüber der Zeitung „Aftonbladet”. „Wir haben das Verbrechen dann als Kaperei rubriziert. Die erste in Schweden in der modernen Zeit”, so Isaksson.