Berlin/Essen. Die NPD hat türkischstämmige Bundestagskandidaten in einem Brief aufgefordert, das Land zu verlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den Berliner NPD-Vorsitzenden Jörg Hähnel wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.

Gegen den Berliner NPD-Vorsitzenden Jörg Hähnel ermittelt die Staatsanwaltschaft. Sein Name steht unter dem zweiseitigen Schreiben, das unter anderem ein Berliner Bundestags-Kandidat der Grünen, Özcan Mutlu, am Wochenende in seinem Briefkasten gefunden hatte.

„Ich bin schockiert”, sagte Mutlu zur WAZ. „Ich lebe seit vier Jahrzehnten in Deutschland, gehöre seit zehn Jahren dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Deutschland ist meine Heimat. Und jetzt schreibt mir jemand so etwas.” Oft schon habe Mutlu Drohanrufe und -briefe bekommen. „Aber das ist schlimmer. Das hat eine neue Qualität. Denn hinter dieser Aktion steht eine mit dem Geld der Bürger finanzierte Partei.” Mutlu sorgt sich nun um Bürger mit Migrationshintergrund, die das offiziell aussehende Schreiben ebenfalls erhalten haben und vielleicht nicht sofort als üble Hetzschrift erkennen.

"Mir geht es schlecht, seit ich diesen Brief geöffnet habe"

Auch Figen Izgin, die in Berlin-Schöneberg für die Linke kandidiert und dem Landesvorstand ihrer Partei angehört, gehört zu den Adressaten. „Mir geht es schlecht, seit ich diesen Brief geöffnet habe. Es ist schon ein Unterschied, ob man so etwas auf Plakaten an der Straße liest oder persönlich angesprochen wird. Ich frage mich, wie weit das alles noch geht. Da lebe ich seit 30 Jahren in Deutschland, und jemand erzählt mir jetzt, dass ich nur eine Geduldete sein soll”, erklärt die Erzieherin.

Das Schreiben ist wie eine offizielle Mitteilung gestaltet. Als Verfasser wird ein „Ausländerrückführungsbeauftragter” genannt, der sich um die „Heimreise” von Bürgern mit Migrationshintergrund kümmern soll. Die Rede ist von einem "Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung". Am Ende werden die Angeschriebenen regelrecht verhöhnt: "Wir danken Ihnen für ihre geleistete Arbeit und die kulturelle Bereicherung und wünschen Ihnen eine gute Heimreise."

Wie viele dieser Briefe an private Adressen verschickt worden sind, ist nicht bekannt. Jörg Hähnel, Partein-intern auch „Hähnchen” genannt, sitzt für die NPD in einem Berliner Kommunalparlament. „Er ist kein Unbekannter. Schon mehrfach gegen Hähnel ermittelt”, sagte Martin Steltner, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin.

Polenfeindliche Plakate

Vor dieser Bundestagswahl setzt die rechtsextreme NPD offenbar mehr denn je auf Hassparolen und Ausgrenzung. Erst letzte Woche hatte das Greifswalder Oberverwaltungsgericht polenfeindliche NPD-Plakate verboten, die hundertfach in der Grenzregion aufgehängt worden waren. Der farbige CDU-Politiker Zeca Schall wurde jüngst in Thüringen von der NPD massiv bedroht und musste von der Polizei beschützt werden.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sieht in dem Drohbrief einen neuen Anlass für ein NPD-Verbotsverfahren.

Jerzy Montag rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, sieht dies im Gespräch mit der WAZ anders. "Diese Briefe sind widerlicher Blödsinn. Aber man darf das nicht zu ernst nehmen. An diesen Briefchen eine Verbotsdebatte aufzuhängen, ist zu dünn. Natürlich wünschen wir Grünen uns, dass die NPD verschwindet. Aber über diese Dinge kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ein Verbotsverfahren würde viele Jahre dauern, und die NPD hätte während des Verfahrens alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten auf ihrer Seite. Das Risiko eines Verbotsantrages wäre sehr groß", erklärte Montag.

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