Staatsgelder allein können den traditionsreichen Versandhändler Quelle nicht retten. Zu vielfältig sind die Probleme.
Essen. Vor fünf Jahren sah es schon einmal so aus, als müsste Deutschland Abschied nehmen vom Quelle-Katalog klassischer Prägung. Als die erste große Konzernkrise tobte, dachte Christoph Achenbach, der damalige Chef von Karstadt-Quelle, in entwaffnender Offenheit über den Niedergang des Universalkatalogs nach. „Das Medium wird nicht mehr so akzeptiert, wie es noch vor Jahren der Fall war”, sagte Achenbach. „Der Katalog gilt ein halbes Jahr, und wir können absolut nichts ändern – weder beim Preis noch beim Sortiment. Das funktioniert heute nicht mehr.”
Achenbach wurde später von Thomas Middelhoff abgelöst, der wiederum von Karl-Gerhard Eick. Der Quelle-Mutterkonzern heißt heute Arcandor, die Versandsparte Primondo – was blieb, waren die Probleme von Quelle. Seit Jahren läuft die Sanierung des Traditionsunternehmens, das 1927 von Gustav Schickedanz in Fürth gegründet wurde. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet jetzt, da das Management von einem Aufwärtstrend berichtet, gerät Quelle tief in den Strudel der Arcandor-Insolvenz.
Branche rechnet mit Wachstum
Dabei gilt der Versandhandel als Branche mit guten Perspektiven. Für 2009 erwartet der Branchenverband, dass der Umsatz um bis zu drei Prozent auf 29,5 Milliarden Euro steigt. Der Wachstumsmotor ist das Internet, wo Händler wie Ebay und Amazon Erfolge feiern. Von 1996 bis heute konnte der Versandhandel seinen Anteil am Einzelhandelsumsatz von 5,8 auf 7,2 Prozent ausweiten. „Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht”, berichtet Thomas Steinmark, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels. Auch der Hamburger Versandhändler Otto legte trotz der Wirtschaftskrise zu.
Quelle-Firmengründer Gustav Schickedanz und seine Frau Grete gelten als Pioniere des Universalkatalogs, der praktisch die ganze Welt des Konsums abbildet. Getreu dem Motto „Erst mal sehen, was Quelle hat” sollten die mehr als 1000 Seiten dicken Kataloge „eine Fundgrube für jede Familie” sein. Die ursprüngliche Geschäftsidee von Schickedanz lautete, Produkte in guter Qualität zu erschwinglichen Preisen „direkt von der Quelle” und ohne Umwege über den Zwischenhandel an die Kunden zu liefern. Eine ähnliche Strategie verfolgte zu Wirtschaftswunderzeiten auch Joseph Neckermann mit seinem Slogan „Neckermann macht's möglich”. Zuletzt erschien der Quelle-Hauptkatalog mit einer Auflage von fast neun Millionen Exemplaren zweimal jährlich.
Katalog hat nicht mehr die alte Durchschlagskraft
„Der große Quelle-Katalog hat nicht mehr die Durchschlagskraft, die er vor zwanzig, dreißig Jahren hatte”, erläutert Wolfgang Twardawa, Handelsexperte des Marktforschungsinstituts GfK. Ein Universalversender könne nicht so schnell auf Trends und Moden reagieren wie ein wendiger Spezialversender. Tatsächlich gibt auch Primondo neben dem Quelle-Katalog noch 20 Spezialkataloge heraus, deren Angebot vom Gartenbedarf über Babyausstattung bis zu Sanitätswaren reicht. Generell sei der Katalog „noch zeitgemäß”, betont Branchensprecher Oliver Claas. „Rund drei Viertel der Internetkäufer schauen vor der Bestellung in einen Katalog.”
Vertrauen entscheidet
Kurzfristig könnte Quelle auch die Verunsicherung der Verbraucher zu schaffen machen. „Kunden reagieren bei Unternehmenskrisen sehr sensibel. Die nächsten Probleme sind programmiert”, mutmaßt GfK-Experte Twardawa. Quelle ist bei Gütern wie Waschmaschinen und Elektroherden mit der Eigenmarke Privileg stark. Gerade hier sind Kunden Gewährleistung und Service wichtig. „Die Probleme von Quelle sind mit einem einmaligen Kredit nicht beseitigt”, sagt Twardawa. Um das Unternehmen zu retten, müsse es dem Management gelingen, schnell Vertrauen bei Kunden und Lieferanten aufzubauen. „Der Versandhandel ist ja nicht tot, und der Name Quelle hat nach wie vor Gewicht.”