Istanbul/Gaza/Tel Aviv. Israel hat die dreitägige Waffenruhe mit den militanten Palästinensern im Gazastreifen für gescheitert erklärt. Scharfe Kritik übt derweil der türkische Ministerpräsident Erdogan am Vorgehen Israels im Gazakonflikt. Dem jüdischen Staat wirft er einen “Hitler-artigen Faschismus“ vor.
Eine dreitägige humanitäre Waffenruhe im Gaza-Krieg ist nach wenigen Stunden zusammengebrochen. Israel habe den UN-Vermittler Robert Serry über das Scheitern der Feuerpause in Kenntnis gesetzt, berichteten israelische Medien am Freitagmittag. Zuvor waren im südlichen Gazastreifen heftige Kämpfe zwischen israelischen Truppen und militanten Palästinensern aufgeflammt.
Militante Palästinenser im Gazastreifen haben am Freitag vermutlich einen israelischen Soldaten verschleppt. Es gebe erste Anzeichen dafür, dass ein Soldat während eines Einsatzes gegen Tunnel verschleppt worden sei, teilte die israelische Armee mit. Das Militär suche nach dem Vermissten. Der Angriff habe sich eineinhalb Stunden nach Inkrafttreten einer humanitären Feuerpause ereignet.
Der UN-Vermittler Robert Serry sagte, Israel habe ihn über den "schwerwiegenden Vorfall" informiert. Es seien auch zwei israelische Soldaten getötet worden. Zuletzt war 2006 der israelische Soldat Gilad Schalit von einem Kommando unter Leitung der radikal-islamischen Hamas durch einen Tunnel in den Gazastreifen verschleppt worden. Er kam erst mehr als fünf Jahre später im Tausch gegen mehr als tausend palästinensische Häftlinge frei.
Israelische Flugzeuge warfen Flugblätter ab
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Wie Aschraf al-Kidra, der Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums, mitteilte, wurden bei neuen israelischen Angriffen 35 Palästinenser getötet und mehr als 100 verletzt. Militante aus dem Gazastreifen feuerten mindestens acht Geschosse auf Israel ab. Drei wurden von der Raketenabwehr abgefangen, die anderen landeten auf freiem Feld.
Das israelische Militär erklärte, lediglich auf Angriffe der militant-islamischen Hamas reagiert zu haben. Hamas-Medien behaupteten wiederum, Israel habe die Waffenruhe gebrochen. In den Mittagsstunden warfen israelische Flugzeuge über dem Mittelmeergebiet Flugblätter ab, in denen die Bevölkerung vor neuen israelischen Angriffen gewarnt wurde.
Waffenruhe sollte "dringend notwendige Entlastung von der Gewalt" bringen
Die nunmehr zusammengebrochene Waffenruhe war von den Vereinten Nationen (UN) und den USA vermittelt worden. Sie trat am Freitag 07.00 Uhr (MESZ) in Kraft und hätte 72 Stunden dauern sollen. Sie hätte den Menschen "eine dringend notwendige Entlastung von der Gewalt" bringen sollen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und US-Außenminister John Kerry.
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Zugleich hätten in Ägypten sofortige Verhandlungen über eine dauerhafte Waffenruhe beginnen sollen. Nach palästinensischen Medienberichten sagte allerdings Kairo die Gespräche unter Berufung auf die gescheiterte Feuerpause vorerst wieder ab.
Viele Tote und Verletzte bei bisherigen Kämpfen
Die Zahl der seit dem 8. Juli getöteten Menschen im Gazastreifen ist inzwischen höher als bei der letzten Bodenoffensive Israels 2009, bei der rund 1400 Palästinenser umgekommen waren. Der palästinensische Sprecher Al-Kidra teilte am Freitagmorgen weiter mit, bislang seien etwa 8400 Palästinenser verletzt worden.
Nach palästinensischen Angaben sind es die höchsten Verluste auf der eigenen Seite seit der israelischen Eroberung des Gazastreifens im Sechs-Tage-Krieg von 1967. Nach israelischen Informationen handelt es sich bei mehreren hundert der palästinensischen Todesopfer um militante Kämpfer. Den Palästinensern zufolge sind mehr als zwei Drittel der Opfer Zivilisten.
Auf der israelischen Seite wurden im Gaza-Krieg 61 israelische Soldaten und drei Zivilisten getötet. Mehrere hundert Menschen wurden verletzt. Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA berichtet über eine katastrophale Lage der Zivilbevölkerung in dem Küstengebiet. Rund 230 000 Palästinenser hätten Schutz in UN-Einrichtungen gesucht. UNRWA-Leiter Pierre Krähenbühl bestätigte, dass in drei leerstehenden UNRWA-Einrichtungen Raketen gefunden worden seien. "Wir verurteilen das und haben sofort alle Seiten informiert. Wir dulden keinerlei Waffen in unseren Einrichtungen."
Erdogan wirft Israel "Hitler-artigen Faschismus" vor
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat Israel wegen seines Vorgehens im Gazakonflikt erneut verbal attackiert und dem jüdischen Staat dabei einen "Hitler-artigen Faschismus" vorgeworfen. "Der Völkermord Israels erinnert an den Völkermord Hitlers", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu den Regierungschef am Donnerstag bei einer Rede im osttürkischen Van. Die Schreie getöteter palästinensischer Kinder "werden nicht unbeantwortet bleiben", sagte Erdogan weiter.
Erst vor knapp zwei Wochen hatte der türkische Ministerpräsident Israel wegen seiner Militäroffensive im Gazastreifen Grausamkeiten vorgeworfen, die sogar "Hitler" überträfen. Die Israelis verfluchten Hitler für den Holocaust, "aber jetzt hat der terroristische Staat Israel mit seinen Gräueltaten in Gaza Hitler übertroffen", zitierte ihn Anadolu. Zugleich betonte er damals: "Der Ärger und Abscheu der Türkei richtet sich gegen den Unterdrücker Israel, nicht gegen das jüdische Volk." Bereits zuvor war es zu ähnlichen Ausfällen Erdogans gekommen. (dpa)