Berlin. Die Verhandlungen von Union und SPD sind in wichtigen Fragen der Gesundheitspolitik vorerst gescheitert. Nun sollen die Parteivorsitzenden unter anderem über Zusatzbeiträge für Krankenkassen und private Pflegevorsorge entscheiden. Und auch im Bereich Verkehr wurde ein Streitthema ausgeklammert.
Union und SPD sind in den Koalitionsverhandlungen mit der Suche nach einer Lösung in zentralen Finanzierungsfragen zur Kranken- und Pflegeversicherung gescheitert. Offene Themen müssten nun von den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) geklärt werden, wie die Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) nach der letzten Verhandlungsrunde der Facharbeitsgruppe am Montagabend in Berlin mitteilten.
Bei den von den Parteichefs zu beantwortenden Fragen soll es zum einen um die Zukunft der pauschalen Zusatzbeiträge gehen, die klamme Kassen auch heute schon von ihren Mitgliedern eintreiben können. Die SPD möchte diese prozentual nach der Einkommenshöhe erheben, wodurch Geringverdiener weniger zahlen müssen als Gutverdiener.
Lauterbach warnt vor pauschalen Zusatzbeiträgen
Auch sollen die drei Vorsitzenden klären, ob der allgemeine Beitragssatz wieder paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden soll. Dies ist bislang nicht der Fall: Arbeitnehmer führen 15,5 und Arbeitgeber 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens ab. Laut Spahn würde die Angleichung die Wirtschaft um fast fünf Milliarden Euro mehr belasten.
Auch interessant
Lauterbach sagte, es bedürfe nicht 140 Krankenkassen, wenn alle einen Einheitsbeitrag einzögen. Zudem warnte er vor pauschalen Zusatzbeiträgen von 30 Euro je Versichertem im Monat in wenigen Jahren, der dann von Rentnern nicht mehr bezahlt werden könne. Spahn betonte dagegen, bei den pauschalen Zusatzbeiträgen handele es sich um ein wichtiges Wettbewerbsinstrument.
Die Union konnte sich derweil nicht mit ihrer Forderung nach einer Kapitalrücklage in der Pflege durchsetzen, in die ein Teil der Beitragseinnahmen fließen soll. Auf diese Weise will sie die Lasten für Beitragszahler in der Zukunft abmildern. Auch über diese Reserve soll nun auf höherer Ebene entschieden werden. Auch Merkel hat sich dafür ausgesprochen.
SPD in Finanzierungsfragen noch skeptisch
Lauterbach sagte, auch wenn sich die Arbeitsgruppe etwa bei der Verbesserung der medizinischen Versorgung verständigt habe, so sei bei der Finanzierung absolut nichts geglückt. Das bislang erzielte Ergebnis könne die SPD ihren Mitgliedern zum Basis-Entscheid so nicht vorlegen. "Das ist keine Ergebnis, zu dem wir stehen können." Bislang gebe es keinen Schritt in Richtung einer Bürgerversicherung.
Keine Lösung fanden die Unterhändler für Privatversicherte, die oft hohe Beiträge zahlen müssen. Anders als geplant wird es laut Spahn und Lauterbach keine erleichterte Mitnahme von Altersrückstellungen geben. Auch hier hatte es unterschiedliche Vorstellungen gegeben.
CDU gibt Widerstand gegen Klinik-Pool auf
Allerdings soll der Investitionsfonds in Höhe von 500 Millionen Euro zum Umbau maroder Krankenhäuser zu Versorgungszentren oder Pflegeheimen nun doch kommen. Die Kliniken sollten daraus Geld erhalten, wenn sie dies beantragten, sagte Lauterbach. Die CSU hatte sich zuletzt gegen den Fonds gestemmt.
Einig sind sich Union und SPD auch, dass es eine Pflegereform geben soll. Ziel ist es, mehr Pflegepersonal zu gewinnen und die Situation der Betroffenen zu verbessern. Der Beitragssatz soll dazu um bis zu 0,5 Prozentpunkte steigen. Wann und in welcher Höhe ist laut Spahn aber unklar.
Zusätzliche Milliarden für Verkehrswege - Thema Maut vertagt
Union und SPD wollen in einer großen Koalition mehr Geld für die Sanierung der Verkehrswege mobilisieren und dafür auch Straßenbenutzer heranziehen. Der "konkrete Rahmen der künftigen Nutzerfinanzierung" soll aber erst in den Schlussverhandlungen zum Koalitionsvertrag festgelegt werden. Das wurde nach einer Sitzung der Verkehrs-Arbeitsgruppe von Union und SPD am späten Montagabend in Berlin mitgeteilt.
Auch über die von der CSU verlangte Pkw-Maut sollen damit letztlich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD entscheiden. Die SPD dringt auf eine Ausweitung der Lkw-Maut.
Ramsauer wünscht sich "Modernisierungsschub"
Aus dem Haushalt sollten jährlich "deutlich erhöhte zusätzliche Finanzmittel in den Verkehrsetat fließen sowie zusätzliche Gelder aus der Nutzerfinanzierung generiert werden", hieß es nach der Sitzung der Arbeitsgruppe. Für Erhalt, Ausbau und Neubau der Verkehrswege des Bundes fehlten rund vier Milliarden Euro im Jahr. Konkretere Angaben zur Finanzierung wurden vorerst nicht gemacht.
Der amtierende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte: "Wir brauchen einen kräftigen Modernisierungsschub in Deutschland". SPD-Verhandlungsführer Florian Pronold sagte: "Die große Koalition muss auch große Schritte bei der Finanzierung der Infrastruktur machen."
SPD lehnt Pkw-Maut ab
Die CSU fordert ultimativ die Einführung einer Pkw-Maut, um auch Autofahrer aus dem Ausland zur Kasse zu bitten. Ein ausgearbeitetes Konzept für eine vorgeschlagene Vignette mit einem Ausgleich für deutsche Fahrer über die Kfz-Steuer liegt bisher nicht vor.
Die CDU macht eine Einigung in dieser Frage unter anderem davon abhängig, dass es keine Mehrbelastung für Fahrer aus dem Inland gibt. Die SPD lehnt eine Pkw-Maut ab und will eine Ausweitung der Lkw-Maut.
6000 Lkw-Parkplätze an Autobahnen
Alle 16 Bundesländer hatten einen Sonderfonds vorgeschlagen, der über 15 Jahre mit Bundesmitteln von 40 Milliarden Euro gespeist wird. Als Optionen wurden zudem eine Ausdehnung der Lkw-Maut und eine Pkw-Maut genannt, die auf Vereinbarkeit mit EU-Recht zu prüfen wäre. Dieses untersagt eine Benachteiligung wegen der Nationalität.
Die Arbeitsgruppe von Union und SPD verständigte sich nun auch auf Punkte, um den Logistikstandort zu stärken. Die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten von Lastwagen soll stärker kontrolliert werden. Bis zum Ende der Wahlperiode sollen zusätzliche 6000 Lkw-Stellplätze an Autobahnen entstehen. Bei der Lkw-Maut soll für umweltfreundliche Fahrzeuge (Euro IV) eine günstige Mautklasse geschaffen werden. (dpa/rtr/afp)