München. . Beate Zschäpe hatte offenbar ernsthaft über eine Aussage nachgedacht. Das sagte sie BKA-Beamten - und lästerte dabei kräftig über ihren Anwalt. Die Verteidigung will das lästige Protokoll am liebsten vom Tisch haben. Tag 18 im NSU-Prozess in München.
Haben BKA-Ermittler im Sommer des Vorjahres versucht, das Vertrauensverhältnis von Beate Zschäpe zu ihren Anwälten zu unterlaufen? Diesen schwerwiegenden Vorwurf stellte Verteidiger Wolfgang Stahl gestern im NSU-Prozess in München in den Raum. Denn am Vormittag schilderte über Stunden ein Kriminalbeamter anschaulich und mit leicht rheinländischem Gemüt, wie er sich während zweier langer Autofahrten mit der Mandantin von Stahl angeregt unterhalten habe.
Den Ärger des Verteidigers von Beate Zschäpe provoziert die damalige Gesprächssituation zwischen dem erfahrenen 57-jährigen Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) und seiner Mandantin in einem VW-Bus der Bundespolizei. Denn die Verteidigung von Beate Zschäpe hatte in einem Schreiben an die Bundesanwaltschaft gefordert, dass die Gefangene während dieser Fahrt weder formell vernommen noch informatorisch befragt werden dürfe. Zschäpes zweiter Anwalt Wolfgang Heer hatte dieses Ansinnen mit der Aussageverweigerung der Beschuldigten begründet.
Bilder zum NSU-Prozess
Trotzdem schickte das Bundeskriminalamt auf den „Gefangenentransport“, wie sich die Anwälte ausdrückten, zwei erfahrene BKA-Ermittler. Beate Zschäpe war am 25. Juli des Vorjahres die Möglichkeit eingeräumt worden, von ihrem Gefängnis in Köln-Ossendorf nach Gera gebracht zu werden, um sich in der dortigen Haftanstalt mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter zu treffen. Es war die erste Begegnung mit ihrer Familie seit Jahren.
12-seitiger Vermerk über Zschäpe-Gespräch während Autofahrt
Der BKA-Beamte hatte nach der Fahrt gemeinsam mit seiner Kollegin einen 12-seitigen Vermerk gefertigt, in dem ausführlich über die Gespräche mit der Gefangenen berichtet wird.
Ihre Verteidiger Heer und Stahl kommen in dieser Schilderung nicht gut weg. Zschäpe soll sich über Anwalt Heer beschwer haben, weil diese offenbar zu oft in den Medien war. Nach den Schilderungen des Zeugen habe die Gefangene auch geärgert, dass der Anwalt seiner Mutter gerate habe, für eine bestimmte Fernsehsendung ein Interview zu geben.
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Auch hätte Zschäpe mehrfach geäußert, dass sie nicht aussage, weil die Anwälte ihr dazu geraten hätten. Nach Angaben des BKA-Beamten sei die Gefangene damals offensichtlich zufrieden gewesen, sich mit den Polizisten unterhalten zu können und so noch eine andere Meinung zu hören. Er habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass Gerichte es auch zu Gunsten von Angeklagten werten könnten, wenn diese aussagen.
Auf die Bedenken von Zschäpe, dass ihr Fall wohl einmalig wäre und sie keine Hoffnung auf Strafmilderung habe, schilderte der BKA-Beamte ihr den Fall der RAF-Verurteilten Susanne Albrecht, die vor Gericht ausgesagt habe. Das zumindest erklärte gestern der Zeuge. Denn das Mitglied der Terrorgruppe „Rote Armeefraktion“ in den 70er Jahren sei zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Allerdings durfte die Gefangene damals nach drei Jahren in den offenen Vollzug und nach sechs Jahren Haft wurde ihre Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Mit Hand- und Fußfellen vier Stunden im Auto
Zschäpe habe damals auch zu erkennen gegeben, dass sie eigentlich aussage wollte. „Die Beschuldigte führte aus“, so der Zeuge, dass dann „ihre Aussage umfassend und vollständig sein werde“. Sie sei niemand, der nicht zu ihren Taten stehen werde, soll Beate Zschäpe während der Fahrt gesagt haben.
Immerhin dauerten die zweitägige Fahrt nach Gera und zurück jeweils vier Stunden, viel Zeit also für eine Unterhaltung. Der BKA-Beamte schildete die Atmosphäre als freundlich und entspannt. Die Gefangene saß allerdings mit Hand- und Fußfesseln in dem VW-Bus.
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Zschäpe hätte nur einmal Emotionen gezeigt, als die Fahrt an ihrer Geburtsstadt Jena vorbei führte. Auf den Besuch ihrer Großmutter und ihrer Mutter habe die Gefangene damals nicht erkennbar reagiert, beantwortete der Polizist eine Frage der Geraer Anwältin Birgit Wolf. Sie vertritt als Nebenklägerin die Mutter der ermordeten Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter.
Gegen Mittag räumte Richter Götzl dann den Verteidigern von Beate Zschäpe die Möglichkeit zu Fragen ein. Die Hauptangeklagte war bis dahin konzentriert den Ausführungen des Zeugen gefolgt. Hin und wieder erklärte sie offenbar den Anwälten ihre Erinnerung an die Gespräche während der Fahrt.
Die Befragung ergab, dass der Zeuge das damalige Schreiben der Verteidiger an die Bundesanwaltschaft nicht kannte. Allerdings sei ihm erklärt worden, dass es keine förmliche Befragung von Beate Zschäpe geben dürfe. Auf die mehrfachte drängende Nachfrage von Rechtsanwalt Stahl erklärte der BKA-Ermittler, dass er für diese Fahrt ausgewählt worden sei, weil er ein erfahrener Beamter war und über großes Hintergrundwissen in diesem Fall verfügt habe.
"Zufälliges Gespräch" über das Wetter und über Fehmarn
Mehrfach betonte er, dass die Gefangene nicht vernommen worden sei. „Es hat weder Tonaufzeichnungen gegeben, noch wurde Notizen während des Gesprächs gemacht“, erklärte er. Nach mehrmaligen Nachfragen räumte der Zeuge allerdings ein, dass ein Gesprächsziel gewesen sei, zu erfahren, ob Beate Zschäpe aussagen wolle. Ansonsten stellte er den Gesprächsverlauf als zufällig dar.
Zumindest Zweifel daran schürte Zschäpes dritte Verteidigerin, Anja Sturm. Der Zeuge hatte geschildert, dass man sich zufällig über das Wetter und dabei zufällig über die Insel Fehmarn unterhalten habe. Der BKA-Beamte erweckte den Eindruck, dort schon im Urlaub gewesen zu sein. Die Verteidigerin wollte es genau wissen und der Polizist räumte ein, vor mehr als zehn Jahre einmal dort gewesen zu sein. Er gestand aber auch, dass er damals schon wusste, dass das NSU-Trio auf Fehmarn Urlaub gemacht hatte.
Auch Verteidiger Wolfgang Stahl hakte nach. Irgendwann räumte der Zeuge dann ein, dass Zschäpe vielleicht das Angebot gemacht wurde, dass sie die BKA-Beamten jederzeit anrufen könne, wenn sie eine Aussage machen wolle
Stahl begründete kurz darauf seine beharrlichen Nachfragen bei dem Zeugen damit, dass „möglicher Weise, gezielt in das Vertrauensverhältnis von Anwalt und Verteidiger“ eingegriffen wurde. „Das Vertrauensverhältnis bestand doch damals gar nicht“, erwiderte der BKA-Beamte. Zugleich beantragte die Verteidgung, die Angaben über das Gespräch zwischen Beate Zschäpe und den beiden BKA-Ermittlern nicht in dem Prozess zu nutzen, da gegen Verfahrensregeln verstoßen worden sei.
Die Bundesanwaltschaft widersprach dieser Forderung massiv. Die Ankläger sehen in dem Vorgehen der Polizei eine Möglichkeit, Erkenntnisse zu erlangen. Die Angeklagte sei darüber informiert worden, dass es keine Vernehmung sei, aber alles was sie sage später verwertet werden könne, begründete Bundesanwalt Herbert Diemer die Einschätzung. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft sei der heutige Tag ein guter Tag gewesen, erklärte Diemer nach Verhandlungsende.