München. Am Montagmorgen beginnt eines der bedeutendsten Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe muss sich vor dem Oberlandesgericht München im sogenannten NSU-Prozess als Mittäterin an zehn Morden des “Nationalsozialistischen Untergrunds“ verantworten.
Kurz vor Beginn des NSU-Prozesses in München herrschen vor dem Strafjustizzentrum scharfe Sicherheitsvorkehrungen. Zahlreiche Polizeibeamte sind rund um das Gebäude im Einsatz, selbst Fahrräder dürfen nicht direkt vor dem Gebäude abgestellt werden.
Vertreter türkischer Vereine demonstrierten am Montagmorgen vor dem Gericht. "Chance für Gerechtigkeit" und "Wie konnten sie so viele töten" war auf Transparenten zu lesen. Zahlreiche Kamerateams mit Übertragungswagen berichteten bereits am frühen Montagmorgen live. Gegen 5 Uhr warteten schon einige Dutzend Menschen auf die Öffnung des Gebäudes, um einen Platz im Gerichtssaal zu bekommen.
Neben Beate Zschäpe sind sind vier weitere Menschen angeklagt
Für Punkt 10 Uhr ist am Montag vor dem Oberlandesgericht München der Start des NSU-Prozesses gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte angesetzt. Die Staatsschutzkammer muss unter anderem über zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge, 15 Banküberfälle sowie eine schwer Brandstiftung verhandeln. Dabei geht es auch um die Frage, ob untergetauchte Neonazis aus Thüringen eine terroristische Vereinigung gegründet haben, um diese Anschläge zu verüben.
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Neben der 38-jährigen Hauptangeklagten sind noch Ralf Wohlleben (38) und Carsten S. (33) wegen Beihilfe zu neun Morden mit angeklagt. Holger G. (39) wirft die Bundesanwaltschaft in drei Fällen die Unterstützung des NSU vor und Andrè E. (33) Beihilfe zum versuchten Mord und Beihilfe bei einem Sprengstoffanschlag.
Den Prozess überschattet, dass die deutschen Behörden länger als zehn Jahre weder die Morde noch die Überfälle aufklären konnten. Stattdessen hätten die Ermittler völlig zu Unrecht die Angehörigen der Opfer kriminalisiert, weil Morde und Sprengstoffanschläge von Rechtsextremen immer wieder ausgeschlossen worden waren, kritisierten gestern in München mehrere Nebenklage-Anwälte im Namen der Angehörigen der Opfer.
Diese Angehörigen fordern vom Gericht eine umfassende Aufklärung. Es müsse auch geklärt werden, welche weiteren Helfer es für den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gab und ob eine direkte oder indirekte Unterstützung durch V-Leute von Nachrichtendiensten oder verdeckte Ermittler erfolgt sei.
Zehn Morde in sieben Jahren
Zwischen den Jahren 2000 und 2007 sollen durch den NSU acht Menschen mit türkischer Abstammung und ein Mann mit griechischer Abstammung erschossen worden sein. Zudem steht die mutmaßliche Terrorzelle im Verdacht, 2007 in Heilbronn eine aus Thüringen stammende Polizeibeamtin erschossen und ihren Kollegen lebensgefährlich verletzt zu haben.
Der rechte Terror der NSUDer bereits für Mitte April geplante Prozessauftakt musste nach einem Eklat um die Verteilung der limitierten Presseplätze auf heute verschoben werden. Die türkische Zeitung "Sabah" hatte sich erfolgreich beim Bundesverfassungsgericht darüber beschwert, dass türkische Medien keinen einzigen der reservierten Presseplätze im Verhandlungssaal für das NSU-Verfahren erhalten hatten.
Erst eine erneute Vergabe der Presseplätze - diesmal im Losverfahren - berücksichtigte auch ausländische Medien. Allerdings führte auch dieses Vorgehen des Gerichts erneut zu Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht. Diesmal allerdings gaben die Karlsruher Richter den Medienvertretern kein Recht. Es ist zu erwarten, dass die Forderung einiger Nebenklagevertreter um Zulassung einer Videoübertragung in einen weiteren Verhandlungssaal zu Verhandlungsbeginn auch an das Gericht gestellt werden wird.
Für den Staatsschutz-Prozess gelten extrem hohe Sicherheitsvorkehrungen innerhalb des Gerichtsgebäudes. Zudem hat die Münchner Polizei ihr Einsatzkonzept ab heute noch einmal verschärft. Bis zu 500 Beamte sollen zum Prozessauftakt sichern. Nach eigenen Angaben lagen der Polizei bisher aber keine Erkenntnisse über konkrete Gefahren vor. (mit dpa)