Essen. .

Pappköpfe und Phrasen. Böse betrachtet und Ausnahmen ausnehmend kann man den Plakat-Wahlkampf der NRW-Parteien leicht auf diesen Nenner bringen. Na, das schreit doch geradezu nach einer Persiflage, nach einem spöttischen Ulk. Die NRZ versicherte sich der Hilfe der renommierten Essener Werbeagentur BJS und schickte Reporter Matthias Maruhn mit klarem Auftrag: Macht aus mir einen Kandidaten, mit Pappkopf und Phrase.

Das erste Gespräch mit BJS-Chef Michael Jochim und seinen Spezialisten Christian Lütnant und Andreas Illmer führt schnell zu einem Ergebnis: Wir schaffen zwei Kandidaten, einen für die „sozialökologische“ Wählerschar, einen für die „bürgerliche Mitte“ oder den „Performer“. Illmer orientiert sich dabei am „Sinus-Milieu“, einem Leitfaden für die Werbewirtschaft, ein System, das die deutsche Bevölkerung in zehn verschiedene Typen teilt.

Doch Entschleunigung?

Zunächst Kandidat A, der also den rot-grün geneigten Wähler überzeugen soll: Beim Slogan zögern wir kurz, ob wir was mit „Entschleunigung“ machen sollen, entscheiden uns dann aber für einen anderen durchgekauten Wischiwaschi-Begriff: Nachhaltigkeit. Die ist immer gut. Als Hintergrund spiegelt Illmer das Foto eines Parks ein. Nicht scharf natürlich, das wirkt eher still, murmelt uns was von der grünen Stadt ins Unterbewusste. Wählt diesen Mann, denn er kennt den Weg dorthin, wo es schön ist, friedlich und gut.

Als Foto wählen die Jungs ein Bild von mir, auf dem ich auch wie ein wirklicher Kandidat zu blicken versuche. Schon freundlich, milde, aber doch entschlossen, vor allem aber abgeklärt. Eben so ein Typ, der weiß, wie der Hase läuft, daraus aber keinen persönlichen Profit zu ziehen gedenkt. Zum Abschluss noch schnell ein Stimm-Kreuzchen vor das Wort „wählen“. Das wird ja gerne genommen. Warum auch immer...

Herrlich hohl

So, das hat keine Stunde gedauert, Kandidat B wird schwieriger. Wir wollen den eher schwarz-gelb gefärbten Stimmberechtigten umgarnen. Das erfordert einen anderen Hintergrund. Hell, kühl, technisch muss es sein. Eine Glasfront.. Soll sagen: Der Mann vorne kennt sich da hinten aus. Er gehört dazu. Er kann mit den Bossen. Unser Botschafter in der Welt von Macht und Geld.

Den Slogan haben Lütnant und Illmer in aller Kürze gefunden. „Positiv nach vorne“. Herrlich hohl. Dagegen wirken „Wir halten zusammen“ (SPD) oder „Verantwortung statt Verschuldung“ (CDU) schon fast wie Botschaften.

Die Plakatvariante für die konservative Klientel
Die Plakatvariante für die konservative Klientel

Für den seriösen Kandidaten B aber können wir das Ursprungsfoto wohl vergessen. Es würde den Wähler irritieren oder gar verprellen. Aber ein Bild kann man ja leicht korrigieren. Ich muss dazu gar nicht viel beitragen. Nur mal schnell den Vollbart mähen, die Haare mit Gummi nach hinten binden, knips und das Foto an István Illés schicken, Mediadesigner bei BJS.

Der sitzt vor zwei Bildschirmen und betrachtet gerade eine schöne Luftaufnahme vom Grand Canyon. Erst als er den Bildausschnitt vergrößert, merke ich, das sind ja die gezoomten Falten um meine Augen herum. Die bügelt er mir mit Photo-Shop gerade runter auf Mittelgebirge. „Nur ein bisschen, nicht zu viel, wirkt sonst unglaubwürdig. Ich hole nur die Tiefe aus den Falten“. Und ich bin platt.

Weiße Zähne, graues Haar

Danach sind die Zähne dran, nicht zu weiß, nicht zu gelb, dann schneidet Illés meine Augenbrauen akkurat zurück, Theo Waigel war gestern, die Brillenbügel werden auf graues Metall getrimmt, schließlich schiebt er meinen behandelten Kopf von einem Bildschirm auf den anderen und in den Kragen und auf den Anzug eines fremden Mannes . Fertig?

Vielleicht noch ein bisschen grau? „Kein Problem.“ Illés meliert mein Resthaar. Ja, das könnte gehen. Wir können Kandidat B auf die Wähler loslassen. Hat er eine Chance gegen Kandidat A? Wer hat den besseren Pappkopp, wer die sinnlosere Phrase. Es ist wie am 13. Mai. Sie haben die Wahl. Leicht fällt die nicht...