London. .

Die schwedischen Behörden haben gegen eine Freilassung von WikiLeaks-Chef Julian Assange Beschwerde eingelegt. Wie ein Londoner Richter sagte, muss über den Antrag innerhalb von 48 Stunden entschieden werden. So lange muss Assange in Haft bleiben.

Der Gründer der Enthüllungswebsite Wikileaks, Julian Assange, kommt vorerst doch nicht auf freien Fuß. Schweden wolle Berufung gegen seine Freilassung auf Kaution einlegen, sagte die im Auftrag der schwedischen Justiz tätige Anwältin Gemma Lindfield am Dienstag vor einem Londoner Gericht. Eine Anhörung dazu solle binnen 48 Stunden stattfinden. Assanges britischer Anwalt Mark Stephens hatte zuvor vor Reportern fälschlicherweise gesagt, Schweden werde nicht in die Berufung gehen.

Das Gericht hatte entschieden, Assange könne nach Zahlung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt werden, wenn er eine elektronische Fußfessel zu seiner Überwachung trage. Bianca Jagger, Jemima Khan und Dokumentarfilmer Michal Moore hatten für den 39-Jährigen eine hohe Bürgschaft angeboten. Der streitbare Enthüllungsjournalist soll nun in London bleiben, bis klar ist, ob er wegen mutmaßlicher Sex-Delikte nach Schweden ausgeliefert wird.

Für Assanges Rechtsteam ist dies ein Etappensieg: Vergangene Woche noch hatte der Richter des Westminster Magistrates“ Court erhebliche Zweifel, ob der Aktivist mit seinem nomadenhaften Lebensstil so lange an einem Ort bleiben würde, bis über das Ausweisungsersuchen der schwedischen Justiz entschieden ist. Unter der Auflage, dass Assange zwischen 10 Uhr und 14 Uhr und 22 Uhr und 2 Uhr täglich Hausarrest wahrt und sich jeden Tag um 18 Uhr auf der Polizeiwache meldet, ist er nun auf Kaution freigelassen worden. Einen ebenfalls notwendigen Wohnsitz will Vaughan Smith von der Londoner Journalistenvereinigung „Frontline Club“ bei sich Zuhause garantieren. Eine befreundete Designerin verbürgte sich fast mit ihren kompletten Ersparnissen für die Kautionssumme von 260.000 Euro - finanzielle Angebote für seine Auslösung kamen jedoch aus der ganzen Welt, darunter auch von vielen Prominenten.

Juristisches Tauziehen geht im Januar weiter

Bei der vorläufigen Freilassung kam Assange auch der Umstand zugute, dass die mutmaßlichen Sex-Delike, für die er in Schweden befragt werden soll, in Großbritannien nicht als Vergewaltigung eingestuft werden. Am 11. Januar 2011 wird über den weiteren Verbleib des Wikileaks-Gründers entschieden. Erfahrungsgemäß ist das juristische Tauziehen in Auslieferungsangelegenheiten allerdings komplex und kann sich über Monate hinziehen.

Schon am Morgen hatte Christine Assange aus dem Londoner Gefängnis Wandsworth eine Botschaft von ihrem Sohn mitgebracht. Demnach attackierte er die Finanzdienste, die sich weigern, Spenden an Wikileaks weiterzuleiten, als „Instrumente der US-Außenpolitik“: „Meine Ziel sind wahr und richtig; auch dieser Prozess erschüttert meine Überzeugungen nicht, er macht sich höchstens stärker.“

Assange zuletzt ohne Zugang zum Internet oder anderen Medien

Assange waren in der vergangenen Woche nur drei Telefonate und drei Besuche zugestanden worden. Er hatte keinen Zugang zum Internet oder anderen Medien, saß in Einzelhaft und war rund um die Uhr per Kamera überwacht worden. Sein Anwalt Mark Stephens sagte, dass Assange nur eine einzige Nachricht in dieser Zeit erhalten habe, und zwar darüber, dass die Gefängnisverwaltung eine ihm zugesandte Ausgabe von Time Magazine zerstört habe. Die Zeitschrift hatte ein Foto des Wikileaks-Gründers auf die Titelseite gehoben. Auch für die italienische Ausgabe der Musikzeitschrift „Rolling Stone“ ist Assange bereits der „Rockstar des Jahres 2010“.

Der Australier wird von einem mutmaßlichen Opfer in Schweden beschuldigt, sie im Schlaf missbraucht zu haben; eine andere Frau wirft ihm vor, gegen ihren Willen ungeschützten Geschlechtsverkehr durchgesetzt zu haben. Assange hat die Vorwürfe stets als Komplott bezeichnet. Sein Anwalt versucht, eine Auslieferung zu verhindern - er fürchtet, dass auch die USA Anspruch auf seinen Mandanten erheben, wenn die schwedische Justiz mit ihrem Ersuchen Erfolg haben sollte. In den USA wird ihm nach Veröffentlichung der vertraulichen Botschaftsdepeschen Spionage vorgeworfen.

Isländer hat sich als zweites Gesicht von Wikileaks hervorgetan

Dass Wikileaks während der Offline-Zwangspause ihres Chefs weiterarbeiten und Dokumente öffentlich machen konnte, liegt auch an Kristinn Hrafnsson. Der Isländer hat sich in Assanges Haftzeit als zweites Gesicht der ansonsten anonym agierenden Enthüllungsplattform hervorgetan. Anders als Assange stammt Hrafnsson nicht aus dem Hacker-Milieu, sondern ist ein klassisch ausgebildeter Fernsehjournalist. Für das isländische Staatsfernsehen hatte er mit Hilfe von Wikileaks-Dokumenten zeigen können, wie Großaktionäre die Kaupthing-Bank kurz vor ihrem Zusammenbruch regelrecht geplündert haben. Der 48-Jährige, der bedächtig und meist im schwarzen Anzug auftritt, hat kurz darauf seinen Job verloren.

So kam es gestern auch prompt wieder zu peinliche Details für britische Behörden: Ausgewertete Botschaftsdepeschen zeigen, dass die US-Regierung sehr skeptisch ist, ob die Insel ihr Problem mit heimischen Islamisten allein in den Griff bekommt. Auch die McCanns dürften gestern gestaunt haben: Der britische Botschafter in Portugal hat 2007 in einem vertraulichen Kabel offenbar bekräftigt, dass auch britische Ermittler insgeheim Beweise gegen die Eltern der verschwundenen Madeleine gesucht haben. Offiziell hatte sich die Polizei stets hinter die Eltern gestellt. (Mit Material von afp/rtr)