Witten. Weil er sich einsam fühlt, möchte er zum Essen eingeladen werden, das er bezahlt. Immer mehr Menschen aus Witten melden sich bei Walter Baltes: Der 95-jährige Autor, Erfinder, Bühnenbildner und Galerist hat viel zur Tischkonversation beizutragen - und ist heißbegehrt in der Sonntagsbraten-Szene.
Zahle Sonntagsbraten, suche Gemeinschaft: Über Walter Baltes Gesuch gegen die Einsamkeit in seinem Leben schrieben wir vor gut zwei Wochen. Sein simpler, aber ungewöhnlicher Vorschlag bewegte viele Wittener. Über 40 Leute wollen bereits mit dem 95-Jährigen ihr Mittagessen teilen.
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Am Tag nach der Veröffentlichung stand das Telefon nicht mehr still. „Das schlug ein, wie eine Bombe“, meint der rüstige Rentner glücklich. „Da hat sich für mich eine wunderbare Situation entwickelt“. Nun habe er die Anrufer zunächst vertröstet und eine Liste erstellt. Aber: „Ich möchte alle besuchen!“ Rüdinghausen ist sein nächstes Ziel, dann steht eine Dame in Annen an, seine erste Einladung aber kam aus Bommern, von Margrit und Dieter Dittmar.
Kleine Seniorenwohnung an der Breiten Straße
Die Dittmars bekommen oft Besuch, meist von Familienmitgliedern oder Nachbarn. Aber warum nicht mal einen völlig Fremden einladen? „Wir sitzen jeden Tag zusammen“, sagt Margrit Dittmar. „Da möchte ich mich auch mal mit anderen Menschen unterhalten.“
Dazu ist Walter Baltes genau der richtige. Der Buchautor („Das Änneken vom Ardey“), Erfinder, gelernte Bühnenbildner und spätere Galerist spricht gerne und intensiv über sein erlebnisreiches Leben. Über 5000 junge Wittener kennen ihn von seinen Schulbesuchen, in denen er aus der NS-Zeit erzählt. Inzwischen lebt er in einer kleinen Seniorenwohnung an der Breite Straße, hat ein Zimmer mit winziger Küche und kleinem Bad. Seine Kinder sind weggezogen, die Tage als alter Mensch ziehen sich wohl.
Mit Taxi und Rollator zu den Gastgebern
Aus seiner Einsamkeit heraus entwickelte er seine Idee: sich mal wieder an einen gedeckten Tisch setzen, gute Gespräche führen. Die Gastgeber kaufen ein und kochen, er begleicht die Rechnung, sobald er sonntags mit Taxi und Rollator bei ihnen anrollt. Dafür profitieren beide Seiten von einem anregenden, ungewöhnlichen Mittagessen. „Ich bin doch noch klug und habe alle Sinne zusammen“, ist Baltes überzeugt. Und: „Man kann sich nur helfen, wenn man auf die Menschen zugeht!“
Schweinefilet in Pfeffersoße servierten die Dittmars in Bommern, „ein Gedicht“, schwärmt Herr Baltes anschließend. „Mit dem Ehepaar hat sich ein wirklich schöner Kontakt entwickelt.“ Ein weiterer Besuchstermin ist bereits verabredet und über Heiligabend hätte er auch schon nachgedacht. Über was sie gesprochen hätten? „Na über mich“, ruft Baltes, und jeder der ihn kennt, muss da unwillkürlich schmunzeln.
Das Schweinefilet bezahlt er heimlich
Bezahlen durfte der Senior sein Mittagessen nicht – es sei ja schließlich eine Einladung! So hatte sich das Baltes allerdings nicht gedacht. Überhaupt hätten sich hauptsächlich solche Leute gemeldet, die sich einen Sonntagsbraten durchaus leisten können. Walter Baltes jedenfalls war auch hier erfinderisch: „Ich habe den Briefumschlag mit dem Geld still und heimlich unter meinem leer gegessenen Teller versteckt.“