Witten. . Wie so viele einsame Alte sehnt sich Walter Baltes nach Gemeinschaft. Darum möchte der 95-Jährige zum Mittagessen eingeladen werden und würde im Gegenzug den Braten zahlen.
Walter Baltes, den kennt man in Witten: als Galerist der „Park-Galerie“, als Autor (unter anderem) des „Änneken vom Ardey“, als Hauptdarsteller der TV-Dokumentation „Von einem, der mitgemacht hat“, als Zeitzeuge, der über 5000 Wittener Schulkindern von seiner NS-Jugend berichtete. Kreativ ist der gelernte Bühnenbildner bis ins hohe Alter geblieben. 95 ist er mittlerweile, und nun ruft sich mit einer weiteren ungewöhnlichen Idee ins Leben zurück: Die „Sonntagsbraten-Spende“ soll Baltes aus seiner Einsamkeit helfen.
Autark alleine leben
Vor fünf Jahren verlor Baltes seine liebe Frau Lorle, „seitdem lebe ich in einem tiefen Loch“. 2010 zog er um in eine Seniorenwohnung an der Breite Straße, „ich will autark leben“, begründet er die Entscheidung, warum er weder zu seiner Tochter nach Österreich oder zum Sohn nach Cuxhaven zog. Mitten in der Wittener Innenstadt ist es belebt, im Inneren der winzigen Wohnung aber ahnt man, dass der 95-Jährige viel Zeit mit Lesen oder Zeichnen verbringt. „Da dachte ich mir, irgendwie muss ich da raus. Ich habe eine gute Rente, aber keine Gesprächspartner. Deswegen möchte ich den Sonntagsbraten verschenken und mich im Gegenzug einladen lassen.“
So soll diese Idee funktionieren: Die Gastgeber kaufen ein und kochen. Ein Braten schwebt Baltes vor, etwa 20 Euro dürfe der kosten, es könnte aber auch etwas anderes sein. Die Quittung wird Baltes begleichen, der mit dem Taxi und Rollator dann zum Mittagessen anrollt. „Es ist schon Jahre her, dass ich mich an den Tisch von fremden, aber mir wohlgesonnenen Menschen setzen durfte“, freut sich der 95-Jährige und wartet gespannt auf Reaktionen.
„Eigentlich ist das ne läppische und belanglose Idee, aber für alte Menschen von großer Bedeutung.“ Denn: „Tausende von alten Leuten sind in derselben Lage. Andererseits gibt es viele Familien, die sich vielleicht keinen Braten leisten können. Aus dieser Idee kann man doch was entwickeln“, sagt der Mann, der doch in den 70er Jahren auch Förderbandrollen erfand.
Davon erzählen kann er selten, auch nicht gleich im Altenheim-Bistro. Dort geht er regelmäßig mittags essen. „Und wer isst da? Alte Frauen, die sich stumm gegenübersitzen“, klagt Baltes. „Was mir fehlt, ist die Gemeinschaft.“