Witten. . Spannend für beide Seiten: Schüler des Schiller-Gymnasiums besuchen nachmittags regelmäßig Senioren oder kümmern sich um behinderte Menschen. Das Sozial-Praktikum verbindet verschiedene Generationen.

Mit Senioren „Mensch ärgere dich nicht“ zu spielen, ist wohl kaum die bevorzugte Freizeitbeschäftigung 15-jähriger Mädchen. Könnte man annehmen. Paula Kotylla und Valeria Pesara tun es dennoch regelmäßig: Jede Woche besuchen sie nachmittags Senioren – spielen mit ihnen Gesellschaftsspiele, gehen mit ihnen spazieren, hören ihnen zu. Ganz von selbst sind sie allerdings nicht auf die Idee gekommen – den ersten Anstoß gab die Schule.

Auf Vorschlag des ehemaligen Schülersprechers Philip Raillon entwickelte das Schiller-Gymnasium vor einem Jahr ein freiwilliges Sozialpraktikum. Die jetzigen Neuntklässler waren die ersten Schüler, die im Rahmen des Praktikums über mehrere Monate hinweg regelmäßig Menschen in Senioren- oder Behinderteneinrichtungen besuchten. Gestern wurde ihr Engagement mit einem Zertifikat belohnt. Einige wollen die Besuche jedoch weiterführen, nur nicht mehr unter der Bezeichnung „Praktikum“.

Mehr als bloßes Pflichtbewusstsein

So trifft Paula auch in der kommenden Woche „ihre Bewohnerin“ im St. Josefshaus in Herbede. „Das ist eine ganz Liebe, die mir viel von früher erzählt. Und sie fragt mich über mein ‘Liebesleben’ aus, erzählt Paula lachend. „Auch andere Schüler kommen weiterhin zu Besuch und fragen regelmäßig, wie es ‘ihren Bewohnern’ geht“, sagt Michael Nagel vom Josefshaus. Mit reinem Pflichtbewusstsein hat das längst nichts mehr zu tun.

Für die 14-jährige Lisa Redeker sind aus den Besuchen einer Behinderten-Wohngruppe auf dem Christopherus-Hof sogar Freundschaften entstanden. „Am Anfang gab es Sprachprobleme – das war mir dann unangenehm, weil ich immer nachfragen musste“, erzählt Lisa, „aber man gewöhnt sich schnell daran.“ Werner Körsgen vom Christopherus-Hof kann das nur bestätigen: „Es dauert meist eine Viertelstunde, dann ist das Eis gebrochen“.

In der Einrichtung hatte man mit so jungen Schülern bisher keine Erfahrungen, dennoch „habe ich nicht lange nachdenken müssen, ob wir da mitmachen“, sagt Werner Körsgen. Für die Jugendlichen sei es wichtig, dass sie Erfahrungen mit behinderten Menschen sammeln könnten, da sie von diesen durch das Schulsystem weitestgehend getrennt würden.

Lisa ist während des Praktikums auf die Idee gekommen, dass sie später „etwas im Gesundheitsbereich“ machen könnte – die Besuche wird sie ebenfalls fortsetzen. „Ich bin vorher eigentlich von einem Bewohner-Betreuer-Verhältnis ausgegangen“, sagt Lisa, „aber die sind mir alle richtig ans Herz gewachsen.“

Natürlich hatten auch die engagiertesten Schüler am Anfang Zweifel: „Wird das nicht sehr langweilig mit den alten Leuten?“, „Komme ich damit klar, dass die Bewohner behindert sind?“.

Letzten Endes stellten sich die Ängste als unbegründet heraus. Paulas Fazit bringt die Erlebnisse aller auf den Punkt: „Die sind gar nicht so anders als wir.“