Witten. Überraschender Prozessauftakt im Bochumer Landgericht: Ein 40-Jähriger sitzt auf der Anklagebank, weil er seine schlafende Ex-Partnerin missbraucht haben soll. Das vermeintliche Opfer jedoch rudert auf einmal zurück: „Ich glaube, da habe ich übertrieben.“ Man habe sich nur gestritten.

Der Mann, der auf der Anklagebank sitzt, ist gelassen, manchmal setzt er ein schäbig wirkendes Grinsen auf. Die Tat, die dem Wittener seit Donnerstag vor dem Bochumer Landgericht vorgeworfen wird, ist abscheulich: Er soll im vergangenen Jahr seine schlafende Ex-Freundin brutal missbraucht haben. Die sorgte vor Gericht für einen Paukenschlag.

Das Geschehen, das die 36-Jährige bei ihrer Anzeige beschrieb, schockiert. Eigentlich war die Beziehung der beiden beendet, am besagten Tag aber habe sie ihren „Ex“ besucht und sich bei ihm schlafen gelegt. Sie sei aufgewacht, als der Wittener gegen ihren Willen ihre Hose ausgezogen und sie gewürgt habe. Danach soll der 40-Jährige sie vergewaltigt haben. „Ich habe es über mich ergehen lassen“, heißt es im Polizeiprotokoll. Sie habe sich nicht wehren können. Der Angeklagte bestreitet die Tat.

Frau ist bei Aussage verunsichert

Als die 36-Jährige am Donnerstag zu ihrer nächsten Aussage ansetzt, weiß sie, dass diese folgenschwer für ihren Ex-Freund sein kann. Dem Vater der gemeinsamen Kinder (6 und 12) drohen mehrere Jahre Haft. Ist es womöglich der Grund, warum die Frau von der angeblichen Tat, die sie bei der Polizei bis in jede Einzelheit beschrieb, nichts mehr wissen wollte?

„Ich glaube, da habe ich übertrieben“, sagte sie am Donnerstag. Ihre Aussage ist unsicher, oft kann sie sich nicht erinnern, die Worte „vielleicht“ und „eigentlich“ fallen dauernd. Würgen? Brutale Hiebe oder gar ein Missbrauch? Das sei nie passiert. Nur so viel: Es habe einen Streit gegeben, ihr „Ex“ habe sie „am Hals gepackt“ und ihr „eine Backpfeife verpasst“. Doch warum dann die Anzeige, die Missbrauchsvorwürfe?

Affäre mit einem anderen Mann

„Wahrscheinlich, weil ich sauer war“, meinte die Wittenerin. Genauer wurde sie nicht. Ein möglicher Grund: Ihr ehemaliger Partner warf am besagten Tag einen Blick in ihren Kalender und erfuhr von ihrer Affäre mit einem anderen Mann. Daraufhin kam es, das sagen beide, zu einer Auseinandersetzung. Mit welchen Folgen, bleibt wohl immer unklar.

Der 40-Jährige räumt nur ein, seiner Ex-Lebensgefährtin eine „Backpfeife“ verpasst zu haben. Er habe sie beruhigen wollen. Die 36-Jährige leidet unter manischen Depressionen, am Tattag soll sie nach dem Streit „mit dem Hammer gegen Möbel geschlagen“ haben, so der Angeklagte. Mehr sei nicht passiert.

Mit dem Rückzieher der 36-Jährigen scheint eine Verurteilung ihres „Ex“ wegen Missbrauchs vom Tisch, auch wenn noch Zeugen folgen. Der jetzige Freund der Wittenerin gab sich vor Gericht überrascht. Bei ihm war die Frau am besagten Tag weinend aufgetaucht, hatte von der angeblichen Vergewaltigung berichtet. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass das gelogen sein könnte.“