Witten/Bochum. Zunächst war das Verfahren eingestellt worden - nun, sechs Jahre nach der Tat, verurteilte das Bochumer Landgericht einen 44-Jährigen doch noch wegen Vergewaltigung einer 15-Jährigen. Der Mann beteuerte seine Unschuld bis zuletzt.
„Gerechtigkeit braucht manchmal Zeit“, stellt der Vorsitzende Richter Johannes Kirfel fest - in diesem Fall fast sechs Jahre. Der nachträglich im „Dusch-Prozess“ wegen Vergewaltigung angeklagte 44-Jährige muss nun für zwei Jahre und neun Monate in Haft.
Bis zuletzt hatte der Mann seine Unschuld beteuert - vergeblich. Die III. Strafkammer des Bochumer Landgerichts glaubte dem Opfer, das damals 15 war. Das Mädchen war an einem Wochenende während der Fußball-WM 2006 vom Stiefvater seines damaligen Freundes in den Keller gelockt worden. Er verschloss nach ihren Angaben die Tür und fragte: „Schon mal vergewaltigt worden?“ Dann hielt er das Mädchen fest, drückte es an die Wand und drang nach Überzeugung des Gerichts mit den Fingern in sie ein. Der Teenager trug blaue Flecken davon, konnte aber flüchten.
Verfahren zunächst eingestellt
Damals war das Verfahren eingestellt worden - aus der heutigen Sicht des Richters wohl ein Fehler. Dass der Freund des Opfers bei seiner Aussage damals gelogen habe, um seinen Stiefvater zu schützen, habe sich beim Lesen der Akten förmlich aufgedrängt. Und dass die damals 15-Jährige nicht genau den Namen des Täters gewusst habe, sei auch verständlich, habe es den Stiefvater des Freundes doch nur ein paar Mal gesehen. Dass sie sich erst Monate später ihren Eltern offenbarte, die dann zur Polizei gingen, findet das Gericht nicht ungewöhnlich, sondern eher typisch nach einem Missbrauch oder einer Vergewaltigung. Erst schwiegen die Opfer, bis irgendwann der Druck zu groß werde.
Dass der Fall jetzt neu aufgerollt wurde, hat sich der Täter letztlich selbst zuzuschreiben. Aktuell war er zunächst nur wegen eines vergleichsweise harmlosen Sexualdelikts angeklagt - er soll seine 17-jährige Stieftnichte unter der Dusche angefasst und sich dann vor ihr selbst befriedigt haben. Hätte er einen Strafbefehl von über 2000 Euro akzeptiert, wäre es gar nicht zum Prozess gekommen. In dessen Verlauf wurde auch das frühere Vergewaltigungsopfer gehört - woraufhin sich die Staatsanwältin entschloss, dieses Delikt nachträglich anzuklagen.
„Emotionen sind nicht gespielt“
Trotz einiger Unklarheiten blieb die junge Frau im Wesentlichen bei ihrer früheren Schilderung. „Diese Emotionen sind nicht gespielt“, kommentierte der Richter die Worte der heute Volljährigen. Sie habe überhaupt kein Motiv, den 44-jährigen falsch zu beschuldigen. Vergeblich forderte der Anwalt Freispruch.
Er hatte Widersprüche in den Aussagen ausgemacht und erklärt, sein Mandant habe für den später vom Opfer angegeben Tattag - das Spiel Deutschland-Polen - ein Alibi. Doch das Gericht ist der Ansicht, dass die junge Frau Zeiten durcheinander brachte. Auch der Mutter der damals 15-Jährigen, die einen Drohanruf des Täters mitbekam, glaubte der Richter. Sie habe sich sogar noch an die Farbe des zerrissenen Rocks ihrer Tochter erinnern können.