Ein Blick zurück auf Piratinnen auf der Ruhr, gelbe Ballons über ehemaligen Schächten und Hunderte Musikschulkinder auf dem Rathausplatz. Claudia Scholz sprach mit Dirk Steimann, dem Chef des Kulturforums.

Frage: Das Kulturhauptstadtjahr 2010 neigt sich dem Ende zu. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Steimann: Ich finde, Witten hat sich ziemlich gut präsentiert und mit dem Geld, das wir hatten, Veranstaltungen gestemmt, die viele nicht für möglich gehalten haben.

Beispiele?

Zum Beispiel die Lichtinstallation an der Burg Hardenstein. Wir haben als einzige der an dem Projekt „Ruhrlights-Twilight“ teilnehmenden Städte das Kunstwerk gekauft – und zwar ohne einen eigenen Euro. 20 000 Euro waren Landesmittel, 10 000 Euro kamen aus dem Kulturhaupstadttopf. Witten muss sich nur um Wartungskosten und die Sicherung kümmern.

Ist das Kulturhauptstadtjahr denn bei den Wittenern angekommen?

Ich denke, es ist gut angenommen worden. Da sind großartige Dinge passiert wie in der „Local Heroes“-Woche. Wer da ein bisschen Zeit hatte, konnte unglaublich viel hier erleben. Das hat es innerhalb der „Local Heroes“-Programme im Ruhrgebiet nicht so oft gegeben. Denn hier hat die Kulturhauptstadt auch eingelöst, was sie versprochen hat: Hoch- und Breitenkultur zusammenzubringen und so viele Menschen zu erreichen.

Was hat Ihnen ganz persönlich am besten gefallen?

Mir hat das Henze-Projekt (die Konzertreihe mit alter und neuer Musik) super gefallen. Das A-40-Projekt wiederum war charmant, aber hier ging es ums große Event, um die Belustigung. Dabei sind keine Strukturen entstanden, die auch über das Jahr hinaus weiter tragen. Bei anderen Projekten war das aber sehr wohl der Fall: So wollen die Städte, die bei der Lichtaktion „Ruhrlights Twilight“ mitgemacht haben, auch weiter zusammenarbeiten. Insgesamt aber betrachte ich die Veranstaltungen ambivalent: Die Großen sind stärker geworden, die Kleinen müssen stärker zusammenarbeiten, sonst droht die Gefahr, von den Großen vereinnahmt zu werden.

Der Ansturm von Seiten der freien Szene auf die „Local Heroes“-Woche in Witten war riesig. Ein Erfolg auch für die Organisatoren?

Ich denke, da hat sich das Kulturbüro einen Lorbeerkranz verdient. Teilweise gab es an einem Abend so viele verschiedene Veranstaltungen, dass man sie gar nicht alle besuchen konnte.

Ein anderes großes Projekt der Kulturhauptstadt war „Schachtzeichen“: Eine Woche lang stiegen überall im Ruhrgebiet gelbe Ballons auf ehemaligen Schächten auf. Auch eine Erfolgsgeschichte?

Ich persönlich fand es ein bisschen ernüchternd. Die „Ruhr 2010“-Organisatoren haben da im Vorfeld auf vermeintlich Großes gesetzt, viele Akteure vor Ort fühlten sich dann aber allein gelassen.

Was bleibt von der Kulturhauptstadt?

Mit Sicherheit hat die freie Szene ihre Chance begriffen, viel zu erreichen, wenn sie zusammen agiert. Für Häuser wie das Märkische Museum ist das Kulturhauptstadtjahr aber zumindest zwiespältig, denn es hat Erwartungen an die Eventkultur von Kulturveranstaltungen geschürt, die auf Dauer nicht eingelöst werden können. Man kann nicht immer mit Gänsehaut aus jedem Konzert und jeder Austellung kommen. Es ist aber schon viel erreicht, wenn die Menschen Kultur nicht mehr nur als Museum und Theater verstehen, als Privileg einiger weniger. Das wäre dann ein echter Erfolg.

Wie blicken Sie darüber hinaus auf das Wittener Kulturjahr 2010 zurück?

Wir haben, ohne uns selbst auf die Schulter klopfen zu wollen, ziemlich gute Arbeit geleistet und fast 180 000 Euro an Fördermitteln eingeworben und den Anteil der Kulturförderung aus der Kunststiftung verdoppelt. Im Museum konnten wir zeigen, wie sich der zeitlich sehr begrenzte Bestand zeitgenössischer Kunst öffnen kann. Und wir konnten Ausstellungen ins Haus holen, die überregionalen Ansprüchen mehr als genügt haben. Durch die Kooperation mit der Werkstadt ist es außerdem gelungen, neue Generationen ins Haus zu holen. Und viele Akteure der „Local Hero“-Woche fanden zusammen.