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Die Stadt Witten hat 330 Millionen Euro Miese und braucht jeden Cent. Auch an Steuern und Abgaben. Aber die Zahlungsmoral der Bürger hat deutlich nachgelassen, so der Leiter der Stadtkasse. Allein bei der Gewerbesteuer stehen 2,4 Millionen Euro aus.

Die klamme Stadt Witten steht mit rund 330 Millionen Euro in der Kreide und kann jeden Cent gut gebrauchen. Auch an Steuern und Abgaben. „Aber die Zahlungsmoral der Leute hat in den letzten Jahren deutlich nachgelassen“, sagt Uwe Scharm, Leiter der Stadtkasse. „Wenn zum Beispiel Bußgelder im Verkehr, Hundesteuer, Grundbesitzabgaben oder Kindergartenbeiträge nicht bezahlt werden, versuchen wir als Kasse, solche Forderungen reinzuholen“, so Scharm.

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Die offenen Forderungen der Stadt belaufen sich zum 30. September 2010 auf insgesamt „gut achteinhalb Millionen Euro“, so Kämmerer Matthias Kleinschmidt. Und weiter meint er: „Gemessen an unserer Bilanzsumme von rund 700 Millionen Euro sind diese 1,2 Prozent aber ein völlig beherrschbares Problem.“ Und der Haushalt sei damit allemal nicht zu sanieren, so der Kämmerer. Dass die Anzahl säumiger Zahler zugenommen habe, liege vermutlich auch daran, dass die Leute weniger Geld in der Tasche haben“, vermutet Uwe Scharm.

2,2 Millionen Euro Ausstände beim Unterhalt

Die Gewerbesteuer ist mit knapp 40 Millionen Euro der größte Posten im Haushalt, aber auch der größte bei den Rückständen. Die betragen nämlich 2,4 Millionen Euro. Unterhalt, für den die Stadt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Vorkasse geht, schlägt mit 2,2 Millionen Euro zu Buche. Kleinschmidt: „Hier müssen wir leider häufig hinterher rennen, und am Ende bleibt eine recht hohe Ausfallquote“.

Die meisten Bürger kämen natürlich ihren Verpflichtungen nach, aber es gebe durchaus auch einige hartnäckige Verweigerer, so Uwe Scharm. Um denen beizukommen, gebe es eine ganze Reihe von Möglichkeiten: „Pro Jahr bringen unsere vier Vollzugsbeamten bis zu 50 mal sogenannte Ventilwächter an.“ Die wurden vor etwa fünf Jahren eingeführt, weil sie kleiner und effizienter sind als die Wegfahrsperren in Form der sogenannten Parkkrallen.

Der Ventilwächter wird einfach auf das Reifenventil aufgeschraubt. Und wenn man trotzdem wegfährt, entweicht die Luft schon nach wenigen Metern. „Wir schrauben diese Wächter immer auf zwei Reifen, denn sonst kommen manche Leute auf die Idee, einfach ihren Ersatzreifen draufzumontieren“, erzählt Scharm aus trüben Erfahrungen. Im „schlimmsten Fall“ würde das Auto gepfändet, „aber das hatten wir in diesem Jahr erst einmal, meist reicht schon die Androhung.“

Ein „starker Einschnitt“ in die weitere Lebensführung sei auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. „Denn als Folge bekommt man als Privatmann meist keine Kredite oder Handyverträge mehr“, nennt der Leiter der Stadtkasse Beispiele.

Andere stellen einfach auf stur

Unter den säumigen Zahlern sei eine ganze Reihe von Leuten, die gleich mehrfach auffallen würden. Das gehe dann über ausstehende Zahlungen von Hundesteuern, Kindergartenbeiträgen oder Unterhaltszahlungen. Scharm: „Denn wenn die Leute erst einmal in diesem Sumpf stecken, sind wir nur ein Teil dieser Kette, bei denen sie in der Kreide stehen.“

Doch es gebe durchaus auch Leute, die zahlen könnten, aber auf stur stellten. Einen besonders ungewöhnlichen Fall hat der Leiter der Stadtkasse von einigen Jahren erlebt. Da seien Forderungen in Höhe von 50 000 DM bei einer Person aufgelaufen, von der Scharm vermutete, dass sie über erhebliches Vermögen verfügte: „Als wir mit mehreren Leuten vor dessen Villa standen, hat der Mann noch gelacht, als wir sagten, wir kämen zum Pfänden.“

Sie hätten dann mondäne Gegenstände wie Gobelins und Schmuck mitgenommen und eine Expertise anfertigen lassen, die bestätigt habe, dass es sich um echte Werte handele. „Als es dann also richtig ernst wurde, sind die Forderungen in kürzester Zeit bezahlt worden“, schließt Uwe Scharm seine ungewöhnliche Geschichte.