Witten/Hattingen. Der Neubau der L 924 zwischen Witten und Hattingen sollte bald abgeschlossen sein. Doch nun wird klar: Gebaut wird bis Ende 2025. Die Gründe.
Eigentlich sollte der Neubau der Wittener Straße (L924) zwischen Witten-Herbede und Hattingen in diesem Sommer beendet werden. Doch: Nur ein mittlerer Abschnitt ist fertiggestellt, das Ende der Bauzeit wird inzwischen mit „viertes Quartal 2025“ angegeben. Derweil liegen wegen der langen Umleitungsstrecke die Nerven blank. Woran liegt diese Verzögerung? Ein Besuch vor Ort liefert Gründe.
Gerade wird emsig geschüppt und gebaggert, während der Verkehr einspurig und sehr dicht neben den Arbeitern fließt. „Wir arbeiten seit etwa zwei Wochen auf zwei Feldern gleichzeitig“, erklärt Adrian Kreisner, der das Projekt des Landesbetriebs Straßen NRW betreut. So hoffe man, verlorengegangene Zeit wieder aufzuholen.
Vernünftige Entwässerung gab es nicht
Auf Höhe des Lucid-Autohauses (eine E-Auto-Marke) wird zum Beispiel ein Kanal ins Erdreich versenkt. Die vorgefertigten 600er Stahlbetonrohre liegen am Straßenrand. Die zweite Baustelle befindet sich vor der Firma Wengeler & Kalthoff. Dort wird der einstige Verlauf des Kamperbachs, ein tiefer Straßengraben, zugeschüttet.
Spaziert man die Straße entlang - und das ist auf dem neuen Geh- und Radweg bereits möglich - fällt eines auf: Alles hier dreht sich um Entwässerung. Die Wittener Straße liegt zwischen dem Hang, Steinbruch und Ruhrauen. Der Grundwasserspiegel ist sowieso sehr hoch. Eine vernünftige Entwässerung gab es früher gar nicht - was man an den häufig überschwemmten Därmannschen Wiesen sah.
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Spezielle Bordsteine mit Löchern
Künftig werden die Niederschläge in ein Regenrückhaltebecken am tiefsten Punkt der Straße unter der Autobahnbrücke geleitet. Das Wasser fließt durch Kanalrohre dorthin und später in den vor einigen Jahren renaturierten Kamperbach.
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Erstmalig in der Region werden besondere Bordsteine genutzt, die eine Entwässerung der Straße ohne großes Längsgefälle gewährleisten sollen. Sie haben Löcher und innenliegend ein Profil, das wie eine Regenrinne funktioniert. „Linien-Entwässerung“ nennt dies Adrian Kreisner.
Biotop hinter der Amphibienmauer
Dass die Wittener Straße in einem Feuchtgebiet liegt, beweist ein großes Biotop hinter einer Mauer. Enten drehen im Schilf ihre Runden, der See ist bedeckt mit Wasserpflanzen. Ein Paradies! „Das Biotop gab es schon immer. Es war nur so zugewuchert, dass es niemanden aufgefallen ist“, sagt Kreisner.
Der belebte Tümpel hat Folgen für den Straßenbau, denn die Naturschutzbehörde macht Vorgaben. Nur deswegen gibt es die kleine Mauer namens „Amphibienleitwand“, die verhindern soll, dass Frösche oder Kröten auf die Fahrbahn gelangen. Es gibt sogar „Froschgitter“ am Straßenrand. Die Amphibien fallen durch und müssen bis zu einer Unterführung krabbeln, um die Straßenseite zu wechseln.
Ausgebuddelter Morast mieft muffig
Die vielen Regenfälle der vergangenen Wochen haben die Arbeiten an der Wittener Straße erschwert. Polier Jörg Roskamp von der Baufirma Oevermann und seine Kollegen können davon ein Lied singen. Der Morast, den sie aus dem Bett des einstigen Kamperbachs baggern, mieft muffig - 50 Jahre Straßenabwasser haben Spuren hinterlassen. Mit jedem Regenguss der darniedergeht und zum Beispiel über die Dachflächen der Firmengebäude von Bötzel und Wengeler auf die Straße geleitet wird, stehen sie wieder im Matsch. Das Regenwasser sammelt sich in den Gräben und muss abgepumpt werden.
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Ein weiterer Grund für den Zeitverzug versteckt sich etwa 20 Zentimeter unter der alten Asphaltdecke: Immer wieder stoßen die Bauarbeiter auf mehrere Meter der noch älteren Pflasterstraße. In den Jahren zwischen 1960 und 1970 wurde die Wittener Straße erneuert und mit einer dicken Asphaltschicht überzogen. Das Kopfsteinpflaster wurde abschnittsweise liegengelassen, deswegen war es bei Probebohrungen nicht aufgefallen.
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„Das sind die Sünden unserer Vorväter“, sagt Andreas Berg, Sprecher des Landesbetriebs. Wie zum Beweis stinkt das Pflaster auch heute noch heftig nach Teer. Das als krebserregend geltende Baumaterial und die Steine sind Sondermüll. „Es sind sehr wenige Deponiebetriebe in der Region vorhanden, die dieses belastete Material zur Entsorgung annehmen. Somit sind die Weg zu den Deponien länger und nehmen mehr Zeit in Anspruch“, so Adrian Kreisner.
Zu viel Wasser, das alte Pflaster, unbekannte Versorgungsleitungen - all das bremst den Baufortschritt. Jede weitere Woche ärgern sich die Menschen, die seit anderthalb Jahren nicht von Hattingen aus zur Autobahn kommen oder deren Anliegerstraßen als Schleichwege missbraucht werden. Auch die Arbeiter sind oft genervt. Nahezu täglich versuchen Autofahrer entgegen der Einbahnstraße in die Baustelle zu fahren und ignorieren die Umleitung. An diesem Morgen wagt das sogar ein Lkw-Fahrer mit seinem Brummi. Polier Roskamp mit 41 Jahren Berufserfahrung auf dem Buckel merkt man an, dass er lieber unter Vollsperrung die Straße erneuert hätten. Denn nach Dienstschluss gilt für ihn wie für alle: Erstmal die lange Umleitung fahren.
Baufortschritt auf der L924
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