Witten. So voll war die Schöpfungskirche in Witten-Durchholz schon lange nicht mehr und wird es auch nie wieder sein. Der letzte traurige Gottesdienst.

Wären die Bänke der Wittener Kirchen immer so voll gewesen, hätte es diesen letzten Gottesdienst vielleicht gar nicht geben müssen. Durchholzs Protestanten haben am Sonntag (14.4.) in einem von Gefühlen geprägten Gottesdienst Abschied genommen - nicht von einem geliebten Menschen, sondern mal wieder von einer Kirche. Die Schöpfungskirche wird noch vor ihrem 70. Geburtstag geschlossen, den sie im nächsten Jahr hätte feiern können.

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Mit dem 1955 eröffneten Zweckbau an der Durchholzer Straße 108, der demnächst zur Kita wird, verliert Herbede innerhalb von knapp 20 Jahren seine dritte evangelische Kirche. Das Bonhoefferhaus in Vormholz machte 2005 den Anfang. 2015 folgte die ev. Kirche in Buchholz. Nun ist das idyllisch gelegene Gebäude in Durchholz an der Reihe. Noch einmal ist der Parkplatz voll. Wie sonst nur an Weihnachten oder Ostern. Diakon Torsten Schröder fällt noch ein anderer, nahe liegender Vergleich ein.

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„Es ist ein bisschen wie auf einer Beerdigung“, sagt der 57-jährige im hellen Ornat zu Beginn des Gottesdienstes. „Man freut sich über viele bekannte Gesichter, aber der Anlass ist traurig.“ „Traurig“, „schade“, das ist heute öfter zu hören. „Die Kirche ist ja der Treffpunkt im Dorf“, sagt eine junge Mutter. „Ärgerlich“, meint Wolf (15), der hier ebenso wie sein Freund Till (16) konfimiert wurde. Nun, immerhin schmecken die frischen Waffeln, die es hinterher neben Streusel- und Marmorkuchen im Kirchcafé gibt.

Ein letztes Mal versammelten sich die Gemeindemitglieder rund um die Schöpfungskirche in Durchholz.
Ein letztes Mal versammelten sich die Gemeindemitglieder rund um die Schöpfungskirche in Durchholz. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Schöpfungskirche war auch bei jungen Familien beliebt, die nach Durchholz ins Grüne gezogen sind. Pfarrerin Ute Wendel (60) erinnert an Trauungen und Taufen, Konfi-Übernachtungen, Gemeindefeste und vieles mehr. „Hier wurde geweint, gelacht und gespielt“, sagt die nunmehr einzig verbliebene Herbeder Pfarrerin. „Vor zehn Jahren waren wir noch zu dritt.“

An eine „unheimlich schöne Zeit“ erinnert sich der ehemalige Pfarrer Jürgen Fröhlich (72). Er sagt es sehr direkt: „Es ist kacke, dass man so eine schöne Heimat verliert.“ Aber Fröhlich wäre nicht Pastor geworden, wenn er den Menschen nicht auch Zuversicht schenken könnte. „Es wird lebendig weitergehen. Die Gemeinde wird sich an Herbede orientieren.“

„Nicht Steine sind wichtig, sondern die Menschen, die die Mauern mit Leben gefüllt haben“: Pfarrerin Ute Wendel im Abschiedsgottesdienst in Durchholz.
„Nicht Steine sind wichtig, sondern die Menschen, die die Mauern mit Leben gefüllt haben“: Pfarrerin Ute Wendel im Abschiedsgottesdienst in Durchholz. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Um Optimismus bemühen sich alle Rednerinnen und Redner an diesem späten Vormittag. Nicht Steine seien wichtig, sondern die Menschen, die „diese Mauern mit Leben gefüllt haben“, sagt Pfarrerin Ute Wendel. Sie könnte sich künftig auch den ein oder anderen Gottesdienst unter freiem Himmel vorstellen. „Weil nicht mehr alle zur Kirche kommen, schickt uns Jesus raus zu den Menschen.“ In diesem Falle wäre das dann die „schöne Landschaft der Hölzer“.

Ansonsten werden die Herbeder Kirche und das Markuszentrum in Herbede-Mitte nun zum neuen Anlaufpunkt für die Durchholzer. Die Frauenhilfe kommt schon länger dort in einer einzigen Gruppe zusammen. „Sie macht uns vor, wie es geht“, wirbt Wendel für den Fusionskurs ihrer Kirche. Älteren Kirchgängern will die Frauenhilfe sonntags einen Fahrdienst anbieten, wenn diese denn per Anruf darum bitten.

„Es war eine unheimlich schöne Zeit“, sagte der ehemalige Durchholzer Pfarrer Jürgen Fröhlich.
„Es war eine unheimlich schöne Zeit“, sagte der ehemalige Durchholzer Pfarrer Jürgen Fröhlich. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Um die 4000 evangelische Christen gibt es noch in Herbede, keine 1000 sind es noch in Durchholz. „Manchmal war hier die Kirche sogar voller als in Herbede“, räumt die Pfarrerin aber ein. Am Ende trifft der Sparzwang aufgrund sinkender Steuereinnahmen und der nicht enden wollenden Austrittswelle jedoch vor allem die kleineren Ortsteile. Man könne es sich nicht mehr leisten, mehrere Gebäude zu unterhalten, heißt es. Von derzeit noch acht evangelischen Gemeinden in Witten sollen am Ende noch drei übrig bleiben, sagt Superintendentin Julia Holtz - weitere Kirchenschließungen nicht ausgeschlossen.

„Schenk uns ein neues Haus“ beten sie in der Schöpfungskirche und singen „Vertraut den neuen Wegen“. Als sich die ersten Besucher gegen Mittag verabschieden, sagen nicht wenige, wie traurig sie sind. „Aber wir sehen uns in Herbede.“

Zum Abschluss sang noch der Chor Efharisto „Zwischen Himmel und Erde“.
Zum Abschluss sang noch der Chor Efharisto „Zwischen Himmel und Erde“. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald