Witten. In Witten hat es 2023 weniger Unfälle gegeben. Trotzdem blickt die Polizei mit Sorge in die Zukunft. Nicht nur wegen der Cannabis-Legalisierung.

  • In Witten hat es im vergangenen Jahr 3425 Mal gekracht. Verletzt worden sind dabei 317 Menschen, darunter 29 Kinder. Das geht aus der Verkehrunfallstatistik der Polizei Bochum hervor.
  • Durch die angestrebte Verkehrswende sind auch immer mehr Rad- und E-Bike-Fahrende auf den Straßen unterwegs, die bei Unfällen besonders ungeschützt sind.
  • Polizei sieht eine zunehmende Missachtung von Verkehrregeln und mangelnde Einsicht. Und warnt vor den Folgen der Freigabe von Cannabis.

Die Zahl der Verkehrsunfälle ist in Witten im vergangenen Jahr leicht gesunken, von 3585 auf 3425 (-160). Dabei sind 317 Menschen verletzt worden, 18 weniger als 2022. Angestiegen ist aber die Zahl der verletzten Kinder: Von 19 auf jetzt 29. Insgesamt bewegt sich die Ruhrstadt damit auf einem Niveau wie vor der Pandemie. Bei der Vorstellung der Zahlen im Polizeipräsidium Bochum betonten Polizeipräsident Jörg Lukat und Frank Nows, Leiter der Direktion Verkehr, besonders die Verantwortung eines jeden – und warnen vor einer zunehmenden Regellosigkeit auf den Straßen.

Mal eben noch über die eigentlich schon rote Ampel fahren, eine durchgezogene Linie zum Überholen überqueren oder am Stoppschild nicht halten – und schon kracht es. „Auch solche vermeintlich „kleinen“ Verstöße können zu Unfällen führen“, sagte Nows. Die Polizei beobachte ein solches Verhalten immer häufiger. Das gelte auch für Radfahrende, die ja im Verkehr besonders gefährdet sind. Aber oft selbst die Regeln missachten. „Da fehlt dann oft auch noch die Einsicht“, so der Polizeidirektor.

Frank Nows leitet die Direktion Verkehr im Polizeipräsidium Bochum, das auch für Witten zuständig ist.
Frank Nows leitet die Direktion Verkehr im Polizeipräsidium Bochum, das auch für Witten zuständig ist. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Weniger Unfälle mit Radlern als im Vorjahr

65 Rad- und Pedelecfahrende sind im vergangenen Jahr auf Wittens Straßen verunglückt – deutlich weniger als noch 2022, da waren es 90. Der Grund für den Rückgang könnte laut Nows auf einen geübteren Umgang mit den gar nicht so leichten E-Bikes zurückzuführen sein. Gerade Ältere hätten sich in der Pandemie ein motorunterstützes Fahrrad zugelegt und seien anfangs damit überfordert gewesen.

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Besonders traurig: In Witten sind 2023 zwei Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen, im Jahr zuvor hatte die Ruhrstadt keine Todesopfer zu beklagen. Im Mai verunglückte ein Motorradfahrer auf der Ardeystraße tödlich. Der 47-Jährige war in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen. Im Juli prallte ein 82-Jähriger Mann an der Vormholzer Straße nach einem internistischen Zwischenfall mit seinem Pkw gegen einen Baum. Der Senior verstarb an den Verletzungen, die er sich durch den Aufprall zugezogen hatte.

Alternde Gesellschaft birgt Risiken für den Verkehr

„Auch dieses Thema wird uns in Zukunft bewegen“, sagt Nows. Denn mit einer alternden Gesellschaft werden auch die Fahrerinnen und Fahrer immer älter. Damit steigt auch das Risiko, dass ein Mensch am Steuer einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleidet. In Deutschland gibt es, anders als in anderen EU-Ländern, bislang keine verpflichtenden Gesundheitschecks für Seniorinnen und Senioren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt sie kategorisch ab.

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Dabei wird der öffentliche Raum immer herausfordernder. So nehme etwa der Individualverkehr jährlich um zehn Prozent zu, sagt Polizist Nows. Gleichzeitig bleibe aber der Raum gleich. Es wird also voller, die Gefahr von Unfällen steigt. In Zeiten der Mobilitätswende kommen zudem immer mehr Menschen auf die Straßen, die nicht oder schlecht geschützt sind: Fahrrad- oder Pedelecfahrer oder die Nutzer von E-Scootern. Vermehrt beobachtet die Polizei daher auch Unfälle auf Gehwegen: Fußgänger gegen E-Scooter zum Beispiel. Hier komme es verstärkt zu Unfallfluchten, die Aufklärung sei schwieriger.

Die Legalisierung von Cannabis sei „kein Freifahrtschein“, betont Jörg Lukat, Polizeipräsident von Bochum, Witten und Herne.
Die Legalisierung von Cannabis sei „kein Freifahrtschein“, betont Jörg Lukat, Polizeipräsident von Bochum, Witten und Herne. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Die Schwachen im Verkehr in den Fokus rücken

Mit einer neuen Strategie, zusammengefasst unter dem Hashtag #Leben, legt die Polizei ab diesem Jahr einen besonderen Fokus auf die Schwächsten im Verkehr. Ziel sei es, etwa durch verstärkte Präventionsarbeit, auch ungeschützten Verkehrsteilnehmenden eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr zu ermöglichen. Aber auch durch Repressionen. „Wir wollen gegen die vorgehen, die andere in Gefahr bringen“, so Nows. „Jeder einzelne ist verantwortlich dafür, dass er und andere sicher zu Hause ankommen“, betont Lukat.

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Sorge bereitet der Polizei zudem die wohl bevorstehende Legalisierung von Cannabis. Diese könne dazu führen, dass Menschen den Umgang mit der Droge und die Folgen im Straßenverkehr „auf die leichte Schulter nehmen“, sagt Lukat. Anders als bei Alkohol funktioniere der Abbau von THC im Blut nicht kontinuierlich, der Gehalt im Blut sei nicht so leicht zu bestimmen wie etwa der Blutalkohol. Und auch mit der Legalisierung sei nicht alles erlaubt. „Das ist kein Freifahrtschein“, so Lukats Botschaft.

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