Witten. Witten möchte keine Schulstraßen einrichten und wählt gegen das Elterntaxi-Chaos vor den Schulen einen anderen Weg. So soll‘s gehen.
Elterntaxis sind an vielen Schulen ein Problem, nicht nur in Witten. Kurz vor 8 Uhr morgens wollen hunderte Familie zeitgleich ihren Nachwuchs unmittelbar vor der Schule absetzen. Um den Trend zum massiven Hol- und Bringverkehr zu brechen, suchen die Städte in NRW nach Lösungen, etwa für Pkw zeitweise gesperrte Schulstraßen. Witten geht einen anderen Weg - und führt als Pilotprojekt an der Brenschenschule Elternhaltestellen ein.
„Elterntaxis behindern die Entwicklung eines Bewusstseins für Gefahrensituationen im Straßenverkehr“, hatte schon die Wittener CDU 2021 festgestellt. 2020 waren knapp 20 Kinder auf Wittens Straßen verunglückt. Daraufhin stellte die Fraktion einen Prüfauftrag für Elternhaltestellen im Stadtgebiet. Dessen Ergebnis: Als erstes wird nach den Sommerferien die Brenschenschule drei „Elternhaltestellen“ in Betrieb nehmen. Dazu werden Extra-Parkplätze mit Schildern gekennzeichnet. Auf den Parkstreifen, wo bislang Anwohner ihre Autos abstellen, ist dann nur ein Drei-Minuten-Stopp erlaubt. Diese Regelung gilt während der Schulzeit.
Laut Stadtplanungsamt hat die Brenschenschule eines der höchsten Elterntaxi-Aufkommen in Witten. Mehrere Zählungen belegen dies. 299 Kinder besuchen aktuell die größte Grundschule Wittens. Schon vor anderthalb Jahren kamen rund 100 zu Fuß, 40 mit dem Linienbus und 140 - die größte Gruppe - wurden mit dem Auto chauffiert. „Wir zählen 90 bis 100 Fahrtbewegungen unmittelbar vor der Schule zu Schulbeginn“, so Jens Sturm vom städtischen Planungsamt. Hinzu kämen die Fahrten, bei denen Eltern ihren Nachwuchs im Umfeld der Schule herauslassen.
Eltern nehmen Kinder auf Weg zur Arbeit mit
Dass es die Selbstständigkeit der Kinder fördert, den Schulweg allein zu meistern, dass die Kinder durch die Bewegung ausgeruhter sind und sich besser konzentrieren können, sie neue Kontakte knüpfen - all das ist den meisten Eltern bekannt. Und dennoch: Besonders Erst- und Zweitklässler werden kutschiert.
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Je nach Jahrgangsstufe sind es 47 bis 60 Prozent einer Klasse. „Das liegt über dem deutschlandweiten Durchschnitt“, so Sturm. Eigentlich gehen die meisten Kinder zu Fuß zur Schule. Und wie erklärt sich der Trend zum Mama-Taxi? „Eltern glauben, dass ihre Kinder zu Fuß gefährdet sind oder sie sollen sich bei schlechter Witterung nicht erkälten“, listet Sturm auf. Natürlich gibt es auch Kinder aus Wengern, Bommerholz oder der Innenstadt, bei denen der Fußweg zu lang wäre. Hinzu kommt die „Funktionalität des Arbeitswegs“: Viele Eltern sind berufstätig und nehmen auf dem Weg zur Arbeit kurzerhand den Nachwuchs mit.
Autos blockieren sich gegenseitig
Das Resultat kann man jeden Morgen um kurz vor 8 Uhr in der kleinen Straße „Auf dem Brenschen“ sehen. In der mit Pollern versehenen Straße blockieren sich die Autos gegenseitig. Sie weichen auf den Bürgersteig aus, wo auch Schulkinder laufen. Manche Eltern wenden auf einem Garagenhof oder auf dem Lehrerparkplatz. Und ganz Dreiste parken - wie an diesem Morgen - an der Haltestelle vom Schulbus.
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Eine Haltestelle am Bodenborn, zwei am Bommerfelder Ring
Eine Elternhaltestelle wird sich am Bodenborn in Richtung Stadtmitte, etwa in Höhe des Kiosks „Auf dem Brenschen“ befinden. Zwei weitere Elternhaltestellen, aus je drei bis sechs einstigen Parkplätzen, befinden sich am Bommerfelder Ring, in Höhe der Kita der Lebenshilfe. „Die Eltern sollen stoppen, ihre Kinder aussteigen lassen und diese gehen dann allein etwa 200 Meter zur Grundschule“, erklärt Jens Sturm das Prinzip. Er hofft, dass die schmale Straße direkt vor der Schule dann kaum mehr genutzt wird. Bald wird mit Flyern die neue Regelung erklärt.
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Die Grundschule bemüht sich schon lange um einen anderen Weg. Laut Schulleiterin Kim Bremer wird der Weg mit dem Ortspolizisten Hans-Joachim Zobel geübt. „Die Kinder sind sicher und mutig, aber die Eltern haben nicht immer das Zutrauen“, sagt sie. Die Einrichtung einer Schulstraße sieht sie kritisch: „Ich möchte lieber die Eltern mit ins Boot holen und die Vorteile aufzeigen.“ Die Elternhaltestelle sei schließlich auch für die morgendlich gestressten Eltern eine Zeitersparnis - eine Win-Win-Situation für alle.
Stadt beobachtet Elternverhalten
Um den Verkehr vor der Brenschenschule einzudämmen, war zuerst eine Einbahnstraßenregelung geplant, die Idee wurde wieder verworfen. „Eine Einbahnstraße hätte wahrscheinlich den gegenteiligen Effekt gehabt“, so Schulleiterin Kim Bremer: „Dann wären wir zur Drive-In-Schule geworden.“
Die Stadt möchte das Elternverhalten in Bommern beobachten und Zählungen durchführen. Werden die Extra-Haltestellen angenommen, soll dieses Prinzip auch an anderen Grundschulen umgesetzt werden. Beim Bau des neuen Bildungsquartiers Annen als Ersatz für die Baedekerschule werden Elternhaltestellen eingeplant.