Witten. Der Abschied fiel allen Beteiligten schwer: Eine Bäckerei-Filiale in Witten ist geschlossen. Die Kunden sorgten aber für eine süße Überraschung.

Die junge Frau ist den Tränen nahe und Verkäuferin Karola Natt (61) auch, als sie die Brötchen über die Ladentheke reicht. „Und heute ist wirklich Schluss? Ich kann das nicht glauben“, sagt die Kundin, die es vor Rührung nur noch so eben schafft, ein „Danke für alles“ herauszubringen, bevor sie den Laden verlässt.

Die übrigen Männer und Frauen, die es sich derweil an den Tischen in der Filiale von Bäcker Weidler gemütlich gemacht haben, bleiben sitzen. Sie wollen noch die letzten Stunden in dem Geschäft an der Sprockhöveler Straße genießen, das seit dem vergangenen Samstag (9.12.) der Vergangenheit angehört.

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An diesem Morgen drehen sich die Gespräche fast ausnahmslos um das Aus für Ladenlokal. Bäckermeister Dieter Weidler (67) will sich aus Altersgründen kleiner setzen und hat einen von seinen drei Standorten geschlossen. Eine Entscheidung, die ihm selbst, wie er sagt, sehr schwer gefallen ist.

Ein beliebter Treffpunkt verschwindet

„Damit verschwindet nicht nur eine weitere Bäckerei in einem Wohnviertel, sondern auch ein beliebter Treffpunkt findet sein Ende“, sagt Michael Limberg. Wenn die Filiale morgens um 6 Uhr(!) aufmachte, gehörte er oft zu den ersten Gästen. „Vor der Arbeit noch eine Tasse Kaffee und ein leckeres Brötchen dazu, das hatte was“, erzählt der 53-Jährige. Er hat als Kraftfahrer einen Job im Gewerbegebiet um die Ecke und freute sich auf ein Pläuschchen in der Früh.

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Da kamen Handwerker der Stadtwerke vorbei oder Günter Dieckmann (72), von Beruf Schrotthändler. Gerngesehener Gast war auch immer Schornsteinfeger Lothar Siegfried, der auch im Ruhestand die Plauderei bei Weidler genoss. „Wir haben über alles gesprochen, was uns auf dem Herzen lag, ob es die Arbeit anbelangte, die Familie oder was auch immer“, weiß Limberg.

Zum Gruppenbild traf sich die Runde noch einmal vor der Filiale.
Zum Gruppenbild traf sich die Runde noch einmal vor der Filiale. © Theo Körner

Urige und familiäre Atmosphäre

Dass es so urig und familiär zuging, dafür haben vor allem zwei Frauen gesorgt: Neben Karola Natt war Katharina Gliese (51) die gute Seele in der Filiale. Beide, so schildern es die Gäste, haben nicht nur bedient und serviert, sie nahmen sich auch Zeit für ein Gespräch und hatten dazu einen netten Spruch auf Lager. Für beide ist das Geschäft seit Jahren ein zweites Zuhause, denn sie arbeiten hier nicht erst, seit Dieter Weidler das Ladenlokal 2007 von Bäcker Berger übernahm. Sie waren im wahrsten Sinn des Wortes auch bei dem Vormieter viele Jahre in Lohn und Brot. Während Gliese nun in die beiden anderen Weidler-Filialen wechselt, geht Karola Natt in den vorgezogenen Ruhestand.

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Zum Abschied sorgte die Stammkundschaft für eine faustdicke Überraschung, die die zwei Verkäuferinnen sichtlich bewegte: Die Gäste überreichten Blumen und Einkaufsgutscheine. Und Erinnerungsfotos durften natürlich ebenso wenig fehlen.

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Da offensichtlich aus dem Lokal nun Wohnungen werden sollen, haben die Kunden wenig Hoffnung auf eine Nachfolgelösung. Sie sind sich einig: Ein Geschäft mit dieser Atmosphäre, das gibt es für sie kein zweites Mal.

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