Witten. Ein Baklava-Verkäufer hat die Filiale der Bäckerei Weidler an der Hauptstraße übernommen. Weiterhin gibt’s hier Brötchen – aber eben nicht nur.

Wer dieser Tage die alte Filiale der Stadtbäckerei Weidler an der Hauptstraße in der Wittener Innenstadt betritt, dürfte sich bei genauerem Hinschauen etwas wundern. Neben Vanillestangen, Berlinern, Croissants, Mohnstriezeln und Rumkugeln nehmen jetzt mehrere Tabletts voll mit Baklava die Theke ein. Hinter dem Tresen stehen Ramazan Kuzucu und seine Frau Mbouraka Fraj, kochen Filterkaffee und belegen Brötchen mit Camembert, Gouda, Zwiebelmett – und türkischer Sucuk-Wurst. Was ist passiert?

Das Familienunternehmen Weidler backt schon seit über 60 Jahren für Witten. Fünf Filialen waren es zur Hochphase, heute gibt es noch zwei an der Annenstraße und eine an der Sprockhöveler Straße. Das Geschäft an der Hauptstraße zählt seit Ende 2022 nicht mehr dazu, den Pachtvertrag hatten die Weidlers schon vor einem Jahr gekündigt. „Wir wollen unsere Filialen einfach ein wenig reduzieren und uns kleiner setzen“, erklärt Bäckermeister Dieter Weidler den Schritt.

Eine Bäckerei zu betreiben wird auch in Witten immer schwieriger

Das typisch gelb-orangene Schild mit der Aufschrift „Stadtbäckerei Weidler“ hängt allerdings immer noch über dem Eingang an der Hauptstraße. Das muss Ramazan Kuzucu, der das Geschäft nun betreibt, in den nächsten Wochen überkleben, scheint sich beim Namen aber noch nicht allzu sicher. „Vielleicht nenne ich das Geschäft einfach Stadtbäckerei“, sagt der 47-Jährige.

Von außen ist noch alles beim Alten bei der Stadtbäckerei Weidler, doch in der Backstube und hinter dem Verkaufstresen hat ein neuer Betreiber die Filiale an der Hauptstraße übernommen.
Von außen ist noch alles beim Alten bei der Stadtbäckerei Weidler, doch in der Backstube und hinter dem Verkaufstresen hat ein neuer Betreiber die Filiale an der Hauptstraße übernommen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Zeiten haben sich geändert. Steigende Energiekosten, fehlendes Personal, horrende Produktionspreise – alles Gründe, warum das Betreiben von Bäckereien immer schwieriger wird. „Die Kosten für Zucker, Mehl und Fett haben sich verdoppelt. Wir können aber den Preis für ein Brötchen nicht plötzlich von 40 auf 80 Cent erhöhen“, sagt Dieter Weidler, der die drei noch verbliebenen Bäckereien gemeinsam mit seiner Frau Christine Weidler betreibt. Der 67-Jährige will trotz des Rentenalters noch ein paar Jahre weitermachen. Einen Nachfolger findet die Familie nicht – die drei Söhne wollen und sollen nicht, und auch sonst steht niemand in Aussicht.

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Wittener betrieb bislang eine Bäckerei in der Hammerstraße

Das Geschäft ist hart, das bekam auch Ramazan Kuzucu spüren. Im Februar 2022 hatte der Wittener eine Bäckerei in der Hammerstraße nahe der Stadtgalerie eröffnet. 15 Sorten Baklava bot Ramazan Kuzucu dort an. Nicht mal zehn Monate später folgte das Aus. Mehr als 20.000 Euro hatte er in Renovierungsarbeiten gesteckt. „Das war schon sehr ernüchternd. Aber das Risiko, zu scheitern, herrscht immer in der Selbstständigkeit“, sagt Kuzucu, der bereits zwei Kioske und ein Geschäft mit Gebraucht-Möbeln in Witten betrieben hat.

Öffnungszeiten

Die Bäckerei von Ramazan Kuzucu an der Hauptstraße 25 ist montags bis sonntags von 6 bis 19 Uhr geöffnet. In der Filiale gibt es mehrere Tische, der Kaffee kann also auch vor Ort getrunken werden.

Kuzucu betreibt das Geschäft alleine mit seiner Frau, eine Aushilfe haben die beiden bisher nicht. Neben Backwaren gibt es hier auch Getränke, Geschenk-Artikel und Elektrowaren.

Kurz vor Weihnachten hörte er von der bald leerstehenden Bäckerei-Filiale an der Hauptstraße und schlug zu. So nahm die deutsch-türkische Kooperation Gestalt an. Familie Weidler musste den Laden nicht leerräumen, bloß fegen. Und weil Kuzucu nicht mehr nur Baklava verkaufen wollte, einigte er sich mit den Weidlers darauf, dass der Bäckermeister ihn weiterhin mit frischer Ware beliefert.

Baklava allein lief nicht gut genug

„Baklava allein lief nicht gut, zumindest war das in der Hammerstraße so. Die Lage war wohl nicht optimal und Baklava ist relativ teuer“, erklärt Kuzucu. Zugegeben, die Zuckerbombe hat es tatsächlich nicht nur in sich, was die Kalorien angeht. 13 bis 20 Euro kostet ein Kilo, es gibt aber auch 250 und 500 Gramm Boxen für weniger Geld. Die Baklava und türkischen Plätzchen backt Dieter Weidler natürlich nicht für Ramazan Kuzucu, das übernimmt dessen Schwester, die in Dortmund zwei Bäckereien betreibt.

In der alten, neuen Bäckerei gehen allerdings nicht nur deutsch-türkische Backwaren über den Tresen. In den Regalen rechts neben der Theke stapeln sich Wasserkocher, Tee-Gläser, Kuscheltiere, Pfannen, Porzellan und Waffeleisen. Falls die Wittenerinnen und Wittener also tatsächlich genug von Baklava haben – dann haben Kuzucu und seine Frau mit ihrer Mischung aus deutsch-türkischer Bäckerei, Kiosk, Café und Tante-Emma-Laden immerhin noch mehrere Joker in petto.