Witten. Im Kompost der AHE soll Plastik stecken, so der Vorwurf eines Umweltschützers. Das Problem sind Fremdstoffe wie Glas und Kunststoff im Biomüll.

Es sind schwere Anschuldigungen, die bei der globalen Klimademo am vergangenen Freitag in Witten gegen die AHE erhoben worden sind. Redner Patrick Schulz warf dem Entsorgungsunternehmen vor, dass in dessen Komposterde Plastik stecke. Auch Zigarettenfilter will der 30-Jährige gefunden haben. AHE-Geschäftsführer Johannes Einig weist das von sich.

Rund 25.000 Tonnen Bio-Abfall fallen jedes Jahr im EN-Kreis an. Sie werden in der Biogasanlage der AHE im Bebbelsdorf zu Biogas vergoren. Mit dem daraus entstehenden grünen Strom lassen sich 3500 Haushalte versorgen. Als sogenannte Gärrückstände fallen Flüssigdünger und Kompost an. Von Letzterem gut 2000 Tonnen im Jahr. Die AHE gibt die Komposterde kostenlos an Landwirte, aber auch an Bürgerinnen und Bürger ab.

Die Biogasanlage der AHE am Bebbelsdorf in Witten.
Die Biogasanlage der AHE am Bebbelsdorf in Witten. © WP | Frank W. Koch

Plastikteile in Kompost entdeckt

So holte sich auch Patrick Schulz bereits Anfang 2020 und erneut im April dieses Jahres dort zehn Liter Kompost. Beide Male habe er „eine erschreckende Menge an Plastikstücken“ und eben auch Zigarettenfilter gefunden. 2020 führte der Umweltschützer Gespräche mit der AHE und der Gütegemeinschaft Kompost, die bundesweit Gütesiegel vergibt. Auch der Kompost der AHE trägt das „RAL Gütezeichen Kompost“. „Aber in den zwei Jahren hat sich nichts getan“, sagt Schulz. Weshalb er nun die Öffentlichkeit suche. „Denn ich finde, wir müssen darüber sprechen.“

Diese Menge an Fremdstoffen hat Patrick Schulz nach eigenen Angaben in rund fünf Litern Kompost gefunden.
Diese Menge an Fremdstoffen hat Patrick Schulz nach eigenen Angaben in rund fünf Litern Kompost gefunden. © Patrick Schulz

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Doch wie verhält es sich eigentlich mit möglichen Fremdstoffen im Kompost? Die Düngemittel- und die Bioabfallverordnung schreiben gesetzliche Grenzwerte vor, die nicht überschritten werden dürfen. Im Kompost sind danach bis zu 0,1 Prozent verformbares Plastik in der Trockenmasse erlaubt. Bei Glas, Metall und Hartkunststoff sind es 0,4 Prozent. Auf Grundlage dieser Werte vergibt die Gütegemeinschaft Kompost ihr Siegel. „Nullwerte wären natürlich am schönsten“, sagt Maria Thelen-Jüngling, die die Gütesicherung betreut. „Aber sie sind in der Praxis nicht zu gewährleisten, weil es immer wieder Verunreinigung im Input, etwa in der Biotonne, gibt.“

Im Biomüll landen auch 2,6 Prozent Fremdstoffe wie Glas oder Plastik

Wie hoch deren Anteil hier im EN-Kreis ist, wurde erst kürzlich untersucht. Das Ergebnis: Im Bio-Abfall landen 2,6 Prozent Fremdstoffe, 0,7 Prozent davon sind Kunststoffe. Schaut man nur auf Witten, liegen die Werte bei 2,9 Prozent Fremdstoffen in der braunen Tonne, 0,8 Prozent sind Kunststoffe. Zur Kompostierung oder Vergärung angenommen wird laut Kreis Bioabfall mit Verunreinigungen bis 3 beziehungsweise 1 Prozent.

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In der Anlage am Bebbelsdorf durchläuft der Biomüll dann mehrere Prozesse, bis am Ende unter anderem der Kompost übrig bleibt. So gärt er etwa 15 bis 20 Tage bei 55 Grad. Am Ende wird der Kompost noch gesiebt, die Durchlasslöcher in der untersten Siebstufe sind acht Millimeter groß. „Da können am Ende keine Kippenstummel drin sein“, sagt AHE-Geschäftsführer Johannes Einig. Dafür lege er seine Hand ins Feuer.

Johannes Einig, Geschäftsführer der AHE, mit der Komposterde, die bei der Vergärung von biologischen Abfällen in der Biogasanlage am Bebbelsdorf entsteht. Das Granulat wird auch in der Landwirtschaft eingesetzt. Das Foto entstand anlässlich der Inbetriebnahme des zweiten Blockheizkraftwerks der AHE im Oktober 2020. Aus dem in der Anlage gewonnenen Biomethan wird Ökostrom für 3500 Haushalte.
Johannes Einig, Geschäftsführer der AHE, mit der Komposterde, die bei der Vergärung von biologischen Abfällen in der Biogasanlage am Bebbelsdorf entsteht. Das Granulat wird auch in der Landwirtschaft eingesetzt. Das Foto entstand anlässlich der Inbetriebnahme des zweiten Blockheizkraftwerks der AHE im Oktober 2020. Aus dem in der Anlage gewonnenen Biomethan wird Ökostrom für 3500 Haushalte. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Biogasanlage ist laut AHE auf dem neuesten Stand der Technik

An der Anlage selbst, die die AHE seit 2012 betreibt, sieht Einig kein Verbesserungspotenzial. „Sie ist auf dem höchsten Stand der Technik und das System ist technisch ausgereizt.“ Es gebe aber keine 100-prozentige Trennsicherheit. Das Problem seien die „Störstoffe“ im Abfall.

Regelmäßig werden Proben des Komposts untersucht. So erhält die AHE ihr Gütezeichen. Fällt bei den Laborproben etwas auf, kommt der Bundesgüteausschuss Kompost ins Spiel, sagt Maria Thelen-Jüngling von der Gütegemeinschaft Kompost. Er kann das entsprechende Unternehmen ermahnen – oder das Siegel aussetzen. 2022 ist das bei der AHE passiert.

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Glas im Kompost führte zu Verlust des Gütesiegels

In einer Kontrollprobe sei zu viel Glas gewesen, bestätigt AHE-Chef Einig. „Für mich ist das kein Manko, sondern ein Zeichen, dass die Kontrollen funktionieren.“ Nachdem spätere Proben wieder in Ordnung waren, führt der Entsorger das Siegel auch wieder. Probleme mit Plastik habe es aber nicht gegeben.

2014, noch vor Einigs Antritt als Geschäftsführer, hatten Bauern aus der Region über „Ein-Euro-Stück große Plastikrückstände“ im Kompost der AHE geklagt. Die AHE hatte damals feinmaschigere Siebe einbauen lassen, 10 statt 15 Millimeter, und wollte so das Problem beheben. Doch trotz aller Technik kann immer noch Plastik im Kompost landen. „Dünne, längliche Teile können ja auch durch feine Siebe durchrutschen“, sagt Expertin Thelen-Jüngling. Ein riesiges Problem seien da etwa Wattestäbchen.

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Patrick Schulz ärgern die Plastikrückstände im Kompost der AHE. Er will eine Debatte darüber anstoßen.
Patrick Schulz ärgern die Plastikrückstände im Kompost der AHE. Er will eine Debatte darüber anstoßen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Patrick Schulz, der auch viele Müllsammelaktionen mitorganisiert, will sich mit diesem Zustand nicht zufriedengeben. „Es schmerzt, dass auf diese Weise wieder so viel Müll in der Umwelt – und in den Gärten – landet.“ Er wünscht sich eine bessere Vorsortierung des Biomülls. Oder etwa, dass städtische Grünflächen vorm Mähen auf möglichen Müll abgesucht werden, damit dieser nicht im Grünschnitt landet. Zumindest aber, dass in Witten darüber geredet wird, wie man mit dem Problem umgehen will.

Und er hat gegen die AHE Anzeige erstattet – wegen Betrugs. Denn als Schulz seine Kompost-Proben wieder bei der AHE abgeben wollte und ehrlicherweise angab, dass es Erde mit Plastikmüll sei, wurde von ihm die Restmüllgebühr für die Entsorgung des Komposts erhoben. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat sein Ersuchen bereits abgelehnt. Aktuell liegt seine Beschwerde gegen den ablehnenden Bescheid bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm.

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