Witten. Wer hätte das gedacht: Als in Witten der große Festumzug startet, lugt die Sonne hervor. Es regnet nur noch Süßes – und andere hübsche Dinge.

Pünktlich zum historischen Zwiebel-Umzug passiert das, womit kaum noch einer gerechnet hat: Die ersten Sonnenstrahlen des Tages lugen aus der ansonsten dichten Wolkendecke hervor und begleiten die 30 Gruppen, die zu Fuß oder mit dem Trecker unterwegs sind, über die Wittener Bahnhofstraße bis zum Ziel am Voß’schen Garten.

Damit haben Stadtmarketing-Chefin Sandra Gagliardi und ihre Wetter-App Recht behalten. Vielleicht hat auch deshalb der Umzug gut 20 Minuten später begonnen, denn kurz zuvor lag noch leichter Niesel in der Luft. Nur wenige Menschen hatten sich rechts und links der Fußgängerzone eingefunden. Oje, das geht bestimmt in die Hose, unken jene, die am Rand unter einem Haltestellenschild stehen.

Stadtmarketing Witten: Absage wäre nicht in Frage gekommen

Doch eine Absage wäre keinesfalls in Frage gekommen. „Niemand hat gesagt, wir wollen bei Regen nicht mitmachen“, so Gagliardi – im Herzen Karnevalistin und Fan stimmungsvoller Traditionen – drei Stunden vor dem Start. Alle haben nur gehofft und bang zum Himmel geblickt.

Toll für Treckerfreunde: Viele alte Modelle sind mit von der Partie beim Zwiebel-Umzug.
Toll für Treckerfreunde: Viele alte Modelle sind mit von der Partie beim Zwiebel-Umzug. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Dirgo (8) und sein Bruder Nevio (6) sind extra mit der Oma gekommen und haben sich direkt an der Kreuzung vor der Unterführung postiert. Beide hoffen, dass sie viele Bonbons kassieren – und werden fürs Warten belohnt. Es gibt ordentlich Kamelle bei diesem zweiten Zwiebelumzug nach Corona. Auch Lollys fliegen in rauen Mengen durch die Luft. Und Blumen, echte und falsche, sind offensichtlich das neue Konfetti. Jedenfalls regnet es so viel davon, dass manche Damen schon bald kleine Sträuße in der Hand halten.

Partnerstädte, Fanfaren und ausgelassene Treckerkumpel

„Da kommen sie“, schallt es plötzlich durch die Straße, die sich wie von Zauberhand mit etlichen Zuschauern gefüllt hat. Blaulicht taucht auf. Gleich dahinter ein blauer Trecker. Im Anhänger thronen huldvoll winkend die noch bis Sonntag amtierende Zwiebelkönigin Sylvia und Bürgermeister Lars König sowie Marion Becker, deren Mann Axel den Tross lenkt.

Viele Gäste aus Wittens Partnerstädten haben den Zwiebel-Umzug begleitet, hier die Besucherinnen aus Beauvais.
Viele Gäste aus Wittens Partnerstädten haben den Zwiebel-Umzug begleitet, hier die Besucherinnen aus Beauvais. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Darauf folgen die Gäste aus Wittens Partnerstädten. Sie schwenken und verteilen Fähnchen. Dahinter hauen die Rebellen-Fanfaren ordentlich auf die Pauke. Doch die beste Stimmung herrscht eindeutig bei den Treckerkumpeln. Die Truppe hat die lauteste Musik und ist so in Stimmung, dass der Planwagen gefährlich hin und her schwankt.

Motivwagen rollen vorbei

Die Schaustellervereinigung präsentiert mit einem Riesenrad den ersten Motivwagen. Das traditionelle Zwiebelmännchen darf nicht fehlen und wird auf etlichen Handys verewigt, ebenso wie der Rathausturm in Miniaturformat. Seifenblasen umwirbeln die Menschen. Das DRK verteilt weiße und rote Luftballons. Mittendrin: die selbst ernannte Queen Mum Helga Flick.

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Nennt sich selbst „Queen Mum“: Helga Flick (77), die 2005 und 2006 das Zwiebelvolk regierte.
Nennt sich selbst „Queen Mum“: Helga Flick (77), die 2005 und 2006 das Zwiebelvolk regierte. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Die 77-Jährige regierte 2005 und 2006 das Zwiebelvolk und hängt offenbar leidenschaftlich an ihrem Job. „Ich mache das für die Stadt und für das Brauchtum“, betont Helga Flick. „Sie war die Beste“, raunt eine Frau gleich hinter ihr. Heute trägt Queen Mum einen rosafarbenen Strohhut, Tülltücher flattern um ihre Hüften. Fleißig und großzügig verteilt sie Süßigkeiten aus einem Korb. „Jetzt spannen die Kinder sogar schon Schirme auf, um Bonbons zu fangen – wie beim Karnevalszug“, wundert sie sich.

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Tatsächlich flitzen viele Kinder vor und zurück, um möglichst viele Naschereien einsammeln zu können. Tüten füllen sich. Gesichter leuchten. Immerhin gibt’s auch – wie sich das für einen solchen Umzug gehört – echte Zwiebeln. Die Standortgemeinschaft verteilt die Knolle.

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20 Minuten später hat der erste Wagen die Bühne gegenüber der Sparkasse an der Ruhrstraße erreicht. Karsten Zierdt steht dort und begrüßt die nach und nach Eintreffenden. Das Stadtmarketing hat den ehemaligen Kollegen extra für die Moderation aus dem Hessenland einbestellt.

Beim Fassbieranstich: Bürgermeister Lars König und Zwiebelkönigin Sylvia.
Beim Fassbieranstich: Bürgermeister Lars König und Zwiebelkönigin Sylvia. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Bald darauf wird’s ernst im Voß’schen Garten. Der Bürgermeister greift zum Holzhammer und beim dritten Schlag ergibt sich das Fass. Das Bier fließt, der Zwiebelkuchen wird verteilt. Und darüber leuchtet der Himmel inzwischen tiefblau. Die 599. Wittener Zwiebelkirmes hat begonnen.