Witten. Sylvia Truppner-Veselinovic war Wittens älteste und längste Zwiebelkönigin. Nun zieht sich die 54-Jährige zurück. Eine Regentin erzählt.

Die letzten Tage von Königin Sylvia sind gezählt. Bei der kommenden Zwiebelkirmes, am 3. September, wird ihre Nachfolgerin gewählt und die Regentin dankt ab. Schweren Herzens, denn die feierfreudige Wittenerin mochte ihre Auftritte im Dirndl auf den Traditionsveranstaltungen wie Herbeder Oktoberfest oder Himmelfahrtskirmes. Immerhin durfte sie ein Jahr länger amtieren als ihre Vorgängerinnen, denn Corona hatte ihr den Start in die trubelige Welt des Fassbieranstichs versemmelt.

Oha, bei diesem Wort, möchte die Königin gleich einen Rat an künftige Stadtoberhäupter loswerden: „Den Zapfhahn muss man mit Schmackes ins Fass schlagen!“ Von sechs Anstichen in ihrer dreijährigen Regentschaft gingen zwei schief, der Bierschaum schoss aus dem Fass, duschte Dirndl und die hübsche Frisur. Die Königin hat aber Verständnis für den König. Bürgermeister Lars wurde schließlich erst nach der Kommunalwahl 2020 oberster Bierfass-Anschläger, eine Fähigkeit, die man offenbar erst lernen muss. „Jetzt hat er aber Routine“, beruhigt sie.

Wittener Königinnen hießen Bettina, Helga oder Marie

Seit 1995, schätzt Janina Lehnig vom Stadtmarketing, begleitet eine Zwiebelkönigin die Wittener durchs Volksfestjahr. Es gab schon eine Bettina, eine Helga, eine Sabrina, eine Elisabeth, eine Marie. Sylvia Truppner-Veselinovic war die erste Sylvia in dieser Funktion. „Wir hatten nie Probleme, Bewerberinnen zu finden“, sagt Veranstaltungsorganisator Matthias Pöck. Auch jetzt gibt es schon drei Personen, die sich für die Wahl am 3. September ums Ehrenamt bewerben.

Gruppenbild mit Königin, nach der Wahl 2019 (v.l.): die Jury Isabell Raddatz und Christoph Daniel, die damalige Stadtmarketingchefin Silvia Nolte, Zwiebelkönigin Sylvia Truppner-Veselinovic, ihre Vorgängerin Marie Derstadt und die Zweitplatzierte Regina Kraft.
Gruppenbild mit Königin, nach der Wahl 2019 (v.l.): die Jury Isabell Raddatz und Christoph Daniel, die damalige Stadtmarketingchefin Silvia Nolte, Zwiebelkönigin Sylvia Truppner-Veselinovic, ihre Vorgängerin Marie Derstadt und die Zweitplatzierte Regina Kraft. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Sylvia dagegen brauchte einen kleinen Stupser. Herr Pöck persönlich habe sie „ein halbes Jahr lang bearbeitet“. Dann fragte die Betreuungsassistentin in einem Altenheim ihren Chef und der war einverstanden, „sofern ich das mit meiner Arbeit koordiniert bekomme“. Als Sylvia Truppner-Veselinovic dann am 1. September 2019 tatsächlich die Wahl gegen deutlich jüngere Konkurrentinnen gewann, waren sie im Altenheim „alle stolz wie Oskar“. Inzwischen arbeitet sie als Inklusionsassistentin in einer Förderschule, die Corona-Jahre im Altenheim hätten sie mürbe gemacht.

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Eine Königin in zivil: Sylvia I. sitzt am Brunnen im Wiesenviertel in Witten – und winkt.
Eine Königin in zivil: Sylvia I. sitzt am Brunnen im Wiesenviertel in Witten – und winkt. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Zwiebelkönigin ist ein zweijähriges Ehrenamt, nur die Grundausstattung bekommen die Kandidatinnen gestellt. Das sind ein Dirndl, das damals noch Galeria Kaufhof spendierte, Krönchen und Schärpe sowie ein Gutschein für einen Friseurbesuch. Inzwischen besitzt die 54-Jährige sechs Dirndl, die Haare macht sie sich oft auch selbst. „Ich mag es, mich zu präsentieren“, sagt sie ganz selbstbewusst. Denn obwohl – oder vielleicht weil – sie nicht ganz jung ist, kam sie bei den Leuten gut an, wenn sie Bier oder Zwiebelkuchen auf den Volksfesten verteilte. Sogar ihre Autogrammkarte ist gefragt. „Es kamen Anfragen per Mail ans Stadtmarketing, von Kartensammlern“, erzählt Janina Lehnig.

Zweifache Oma mit Hang zu herzhaften Gerichten

Im Privatleben ist die Königin Mutter einer Tochter (17) und eines Sohnes (28) und Oma von zwei kleinen Enkeln (1 und 3 Jahre alt). Sie hat einen Hang zu rustikalen Gerichten: „Mal ‘ne Bratwurst oder eine Scheibe Leberkäse. Aber ich habe auch einen süßen Zahn.“ Und isst denn eine Zwiebelkönigin gern Zwiebeln? „Zwiebeln zur Leber, mit Speck und Rührei mag ich“, sagt sie.

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Weil im Coronajahr 2020 fast nichts und 2021 nur wenige öffentliche Auftritte stattfanden, schenkte das Stadtmarketing Sylvia ein drittes Amtsjahr. Mit Blick auf die Wahl am Kirmessonntag: Was macht denn eine gute Kandidatin aus? „Eine gewisse Ausstrahlung. Sie muss Selbstbewusstsein an den Tag legen“, sagt Matthias Pöck. „Und gerne feiern“, ergänzt Sylvia. Und übt man vorher das huldvolle Winken? „Ich winke ganz normal“, sagt die scheidende Regentin. „So ganz royal bin ich dann doch nicht.“

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