Witten. Jagd und Naturschutz Hand in Hand – geht das? Ja, sagt die neue Pächterin vom Wittener Buchenholz. Mehr noch: Beides sei untrennbar verbunden.

Aufmerksamen Spaziergängern im Buchenholz wird es vielleicht aufgefallen sein: Zwei wilde Wiesen blühen üppig mitten im Wald – Ruhezonen für Hase und Reh, die Schutz und Nahrung bieten. Angelegt worden sind sie von der neuen Pächterin des Waldes. Diana Modarressi-Tehrani will dort für frischen Wind sorgen – und jagen.

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Im Frühjahr hat die 45-Jährige das 145 Hektar große Revier von der Stadt übernommen. Sie freut sich sehr darüber, den Zuschlag der Stadt nach dem Tod ihres Vorgängers bekommen zu haben. „Ich habe viel vor im Buchenholz, insbesondere im Bereich der Hege.“ Denn die sei in den letzten Jahren „anscheinend leider ein wenig zu kurz gekommen“.

Wittener lassen Hunde in die Äsungsflächen laufen

Als erste Maßnahme hat die Wetteranerin zusammen mit ihrem Mann, dem Jagdaufseher, die beiden Wildäsungsflächen neu anlegen lassen, eine am Kermelberg, eine im Bereich oberhalb des Löschteichs. Schilder weisen die etwas abgelegenen Felder als Ruhezonen für das Wild aus. „Trotzdem lassen immer wieder Spaziergänger ihre Hunde in die Wiesen laufen oder gehen selbst hindurch“, bedauert die Pächterin.

Auf dieser Wiese in der Nähe des Kermelbergs soll das Wild Schutz und Nahrung finden. Hund und Mensch sollten die Fläche meiden.
Auf dieser Wiese in der Nähe des Kermelbergs soll das Wild Schutz und Nahrung finden. Hund und Mensch sollten die Fläche meiden. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Die vermeintlich kleine Störung könne große Folgen haben. Bei Rehkitzen reiche ein kurzer Hundekontakt, dass die Ricke das Kitz verstößt. „Und bei manchen bodenbrütenden Vogelarten führt schon ein Reinlaufen in eine Wiese in mehr als 100 Metern Abstand dazu, dass die Nester verlassen werden und der Nachwuchs nicht überlebt.“

Der Pächterin geht es um ein gesundes Gleichgewicht

Diana Modarressi-Tehrani bittet daher um Rücksichtnahme. Pflanzen, Tiere, Erholungssuchende: Alle sollen im Wald zu ihrem Recht kommen. „Mir geht es um ein gesundes Gleichgewicht“, sagt sie. Eine nicht ganz einfache Aufgabe: Denn das gesunde Gleichgewicht ist empfindlich: Denn einerseits soll der Lebensraum der Wildtiere nicht gestört werden, andererseits brauchen die dringend benötigten jungen Bäume auf den Aufforstungsflächen eine Chance zu wachsen. Doch zu viele Rehe im Wald führen zum Kahlfraß. „Die knabbern jeden Setzling zum Bonsai“, erklärt Stadtförster Klaus Peter. „Deswegen muss die Jagd sein.“

Die Eichensetzlinge haben es schwer auf der Aufforstungsfläche im Buchenholz. Rehe knabbern sie gerne an. Die Jägerin achtet daher darauf, dass die jungen Bäume eine Chance bekommen.
Die Eichensetzlinge haben es schwer auf der Aufforstungsfläche im Buchenholz. Rehe knabbern sie gerne an. Die Jägerin achtet daher darauf, dass die jungen Bäume eine Chance bekommen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Sechs Rehe pro Jahr muss die neue Pächterin laut Vertrag mit der Stadt daher schießen – mindestens. Sie tut es gern, auch wegen des Fleisches. Aber sie tue es mit Bedacht, betont die Waidfrau. Sie sei in ihrer Jugend selbst aktive Tierschützerin gewesen. Erst durch ihren Mann habe sie Kontakt mit Jägern bekommen, sei jahrelang zunächst nur mitgegangen, um sich alles anzuschauen. „Ich habe dann verstanden, was die Jagd wirklich bedeutet – und dass sie ökologisch ist.“

Kinder für den Wald begeistern

. Diana Modarressi-Tehrani will mit den Menschen in Kontakt kommen. Deshalb hat sie Ende Juli bereits einen bunten Infotag im Wald veranstaltet. Viele Wittener waren ihrer Einladung gefolgt, Kinder haben dabei mit Begeisterung ihr „Walddiplom“ abgelegt.

Künftig könnte sich die Pächterin auch vorstellen, Führungen etwa für Kita-Gruppen anzubieten, um die Kinder mehr an das Thema Wald heranzuführen. Denn sie ist überzeugt: „Man schützt nur, was man liebt.“

Das Töten macht ihr immer noch etwas aus

Jagd als Naturschutz? Ja, sagt die promovierte Archäologin. Das Töten sei nötig, um das empfindliche Gleichgewicht im Wald zu bewahren. „Doch es macht mir immer noch etwas aus.“ Der Schuss sei für sie stets ein „sehr bewegender Moment. Und ich entschuldige mich bei dem Tier, so wie es schon die alten Völker getan haben.“ Die erfahrene Jägerin, die schon drei Reviere betreut hat, richtet ihr Augenmerk dabei auf schwache Böcke. „Und ich halte auch nichts davon, Jungtieren die Mütter wegzuschießen.“

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Bislang sind im Buchenholz allerdings noch nicht viele Schüsse gefallen. Die neue Pächterin ist noch dabei, ihren Wald kennenzulernen. „Ein hübsches Revier“, schwärmt die Wetteranerin. Drei bis vier Mal in der Woche kommt sie her, kontrolliert außerdem mit Wildkameras, wo die Tiere unterwegs sind, wenn es ruhiger wird.

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Besonders gut für die Jagd sei das Buchenholz allerdings nicht geeignet, dafür sei dort einfach zu viel los. „Das Wild ist sehr heimlich hier“, so die Jägerin, es versteckt sich also. Dennoch freut sie sich über die vielen Spaziergänger, denn sie schätzt den Kontakt mit ihnen. „Ich hoffe, dass sich die Wittener dafür interessieren, was in ihrem Wald in den nächsten Jahren passieren wird.“ Sie freue sich auf nette und interessante Gespräche, habe schon sehr viele positive Begegnungen gehabt. Diana Modarressi-Tehrani: „Ich bin von den Menschen hier wirklich sehr angetan.“