Witten. Mit mehr als 25 Millionen Euro minus rechnet Witten in den nächsten Jahren. Es drohen harte Einschnitte für künftige Projekte und Investitionen.

Der städtische Haushalt in Witten steht vor dem Kollaps. Für das kommende Jahr wird er mit allergrößter Voraussicht nicht genehmigungsfähig sein – denn er wird tief ins Minus rutschen. Das würde die Handlungsfähigkeit der Stadt stark beschränken, vor allem im Bereich von Investitionen stehen wohl harte Einschnitte bevor.

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Gleich mehrere Hiobsbotschaften hat Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt in den letzten Wochen erhalten. Die gewichtigste von ihnen wohl diese: Erhöhte Ausgaben, die durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg in den Kommunen auflaufen, sollen künftig nicht mehr aus dem städtischen Haushalt isoliert, also herausgerechnet werden können, wie es in den Krisenjahren zuvor der Fall war. Nur so war es der Stadt seit 2020 möglich, einen zumindest formal ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

25 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben im Jahr

Nun soll das entsprechende Gesetz auslaufen. „Dabei ist nicht nur aus Wittener Sicht von Normalität nichts zu erkennen“, sagt Kleinschmidt. Aktuell und für die kommenden Jahre rechnet er mit rund 25 Millionen Euro pro Jahr an zusätzlichen Kosten, etwa durch Inflation, Energiepreise, steigende Sozialaufwendungen für Familien und Flüchtlinge – die er nun nicht mehr herausrechnen darf. „Das sind so dicke Hausnummern, ich sehe keine realistische Möglichkeit, diese Summen auszugleichen“, sagt Kleinschmidt. Gleichzeitig sind auch die Gewerbe- und die Einkommenssteuer in der Stadt deutlich unter den erhofften Werten geblieben, die Stadt nimmt also weniger ein.

Wittens Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt sieht keine Chance auf einen genehmigungsfähigen Haushalt für 2024.
Wittens Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt sieht keine Chance auf einen genehmigungsfähigen Haushalt für 2024. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Nun werden wohl auch noch die Schlüsselzuweisungen des Landes – die wichtigste Einnahmequelle der Stadt – ab 2024 geringer ausfallen. Bislang waren es rund 65 Millionen Euro. „Sie sind für uns von großer Bedeutung, jede Veränderungen spüren wir sofort“, so der städtische Finanzexperte. Doch ab dem kommenden Jahr kürzt NRW die Landesmittel. Denn die Kommunen sollen beginnen, die in der Corona-Krise aufgestockten Mittel ans Land zurückzuzahlen, insgesamt zwei Milliarden Euro. Wie viel weniger Landesmittel dadurch nach Witten fließen werden, steht allerdings noch nicht fest.

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Stadt kommt schon bei Pflichtaufgaben nicht mehr hinterher

Die Möglichkeiten seitens der Stadt, Geld einzusparen oder zu generieren, seien ausgeschöpft, betont auch Bürgermeister Lars König. Schließlich komme man schon bei den stetig wachsenden Pflichtaufgaben kaum hinterher. 90 Prozent des städtischen Defizits seien auf diese zurückzuführen. Dabei hat die Stadt mehrere Zukunftsprojekte vor der Brust, etwa das Schulsanierungsprogramm oder den Kita- und OGS-Ausbau. Von Digitalisierung und Klimaschutz ganz zu schweigen. „Die dringend notwendigen, zukunftsgerichteten Investitionen werden für uns jetzt eine riesige Herausforderung“, so König.

Bürgermeister Lars König im Juni 23 bei der Eröffnung des neuen Leseclubs der Vormholzer Grundschule in Witten, zusammen mit Schülerin Emilia.
Bürgermeister Lars König im Juni 23 bei der Eröffnung des neuen Leseclubs der Vormholzer Grundschule in Witten, zusammen mit Schülerin Emilia. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Denn sollte die Kommunalaufsicht den Wittener Haushalt nicht genehmigen, dürfte die Stadt zunächst nur noch gesetzliche Pflichtaufgaben erfüllen wie etwa Sozialhilfe oder Unterhaltsvorschüsse auszahlen. Auch begonnene Projekte dürften zu Ende gebracht werden. Etwa der Neubau des Bildungsquartiers Annen. Freiwillige Leistungen, wie etwa die Unterstützung des Kulturforums, seien dann nur noch eingeschränkt möglich. „Potenziell steht dann alles auf dem Prüfstand“, so König. Künftige Kreditaufnahmen würden hart begrenzt werden. Und alles steht unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die Aufsicht.

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„Wir können nicht mehr gestalten“

„Wir können dann nicht mehr gestalten, nach sinnvollen Lösungen suchen, sondern nur noch schauen, was irgendwie rechtlich möglich ist“, erläutert Kleinschmidt. Das ende schnell in Flickschusterei. Etwa wenn es um Sanierungen geht. Auch könnte die Stadt dann nicht mehr einfach so Stellen neu besetzen. „Wir müssen dann bei jeder Nachbesetzung nachweisen, dass die Stelle wirklich dringend nötig ist.“ Auch die Ausbildung stünde auf der Kippe.

Das vom Bund oder Land noch finanzielle Hilfe kommt, daran glaubt Wittens Kämmerer nicht. „Wir müssen über die Genehmigungsregeln reden“, fordert der 59-Jährige. „Denn ohne Corona und den Ukraine-Krieg hätten wir den Wachstumspfad nicht verlassen!“ Allein durch die Inflation blähe sich der Haushalt um rund 18 Millionen Euro auf. So etwas müsse berücksichtigt werden.

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