Witten. Das Zentralabitur sorgt für bessere Noten, sagen die Wittener Schulleiter. Fast ein Drittel der Absolventen schafft einen Einserabschluss.

Ein knappes Drittel aller Abiturienten in Witten wird in diesen Tagen mit einem Notenschnitt in den neuen Lebensabschnitt starten, der mit einer Eins vorm Komma beginnt. Vor 20 Jahren schaffte das nur jeder oder jede Siebte, das belegen die Daten des NRW-Schulministeriums. Wie geht das? Wird das Abi immer einfacher?

Der Trend der vergangenen zwei Jahrzehnte zeigt: Die Abitur-Durchschnittsnoten haben sich im Schnitt verbessert. Haben Abiturientinnen und Abiturienten ihren Abschluss vor 20 Jahren im Schnitt mit der Note 2,76 gemacht, lag dieser 2021 bei 2,39 und und 2022 bei 2,42. Besonders deutlich wird der Notenanstieg bei den Zahlen für das „1er Abi“. 39 Wittener schafften solch einen guten Schnitt 2002, 2021 sind es 141, 2022 128. Auch den Abi-Schnitt von 1,0 schaffen 2002 nur zwei Kandidaten aus Witten, 2022 sind es zwölf.

Interessant auch: Insgesamt steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die das Abitur schaffen, deutlich. 2002 bestanden 253 die Prüfungen, 2022 469. Die Durchfallquote schwankt über all die Jahre. Beispiel: 2006 gab es kein Reifezeugnis für drei Pennäler, 2018 für 30.

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© funkegrafik nrw | Anna Stais

Schulleiter: Niveau ist nicht gesunken

Wie lassen sich diese Zahlen erklären? Die Schulleiter der drei Gymnasien sehen einen Zusammenhang mit der Einführung des Zentralabiturs 2007. Auch das Schulministerium äußert sich ähnlich. Das Zentralabitur habe dafür gesorgt, „dass für Schülerinnen und Schüler mehr Chancengerechtigkeit bei der Erlangung der allgemeinen Hochschulreife gegeben ist“. Seitdem seien die Mittelwerte der Abiturgesamtnote relativ konstant auf einem guten Niveau geblieben. „Dabei lässt sich eine geringe positive Verschiebung des Mittelwertes beobachten.“ Für die von Corona geprägten Prüfungsjahre 2021, 2022 und 2023 habe es außerdem „einen überschaubaren Zuwachs an Bestnoten gegeben“.

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„Die Breite an der Spitze wird größer“: Dirk Gellesch, Leiter des Ruhr-Gymnasiums, über die höhere Zahl von Einser-Abiturienten.
„Die Breite an der Spitze wird größer“: Dirk Gellesch, Leiter des Ruhr-Gymnasiums, über die höhere Zahl von Einser-Abiturienten. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Dirk Gellesch, Leiter des Ruhr-Gymnasiums, sagt es so: „Die Breite an der Spitze wird größer.“ Die Zahl der Einser-Abis schwankt am Ruhr in den letzten Jahren zwischen einem Viertel und einem Drittel aller Prüflinge. Aktuell haben das 25 von 97 bestandenen Abiturienten geschafft. Acht haben sogar den Spitzen-Schnitt von 1,0 bis 1,3 erreicht.

Der bessere Schnitt ist für Gellesch eine logische Folge daraus, dass Aufgaben und Bewertungskriterien auf einen großen Personenkreis angepasst werden müssen. Früher wurden Klausuren spezialisierter formuliert. „Ich wusste bei meinem Kurs genau, welche Schwerpunkte ich gesetzt hatte, wieweit ich in die Tiefe gehen kann.“ Eine Klausur für alle dagegen müsse so gestellt werden, dass „alle auch die Standards erreichen können“. Die „Standardisierung der Erwartungshorizonts“ mache eben gute Noten leichter möglich. Dass das Niveau des heutigen Abiturs niedriger sei als das vergangener Jahre, sei aber Quatsch.

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Auch Johannes Rienäcker, Leiter des Albert-Martmöller-Gymnasiums (AMG), betont: „Das Abitur ist nicht leichter, sondern die Bewertung anders.“ Er hält viel von der Standardisierung, weil so die Leistung „landes- und bundesweit vergleichbar“ sei. 33 seiner 97 Absolventen haben eine Eins vorm Komma.

Am Schiller-Gymnasium haben von 77 Absolventen 24 ein Einser-Abi geschafft. Viermal wurde sogar eine 1,0 verliehen. „Ungewöhnlich gut“ nennt Schulleiter Christian Roussell den diesjährigen Jahrgang. Seine Erklärung für die Leistungssteigerungen: „Die Prüfungen sind nicht einfacher geworden. Aber die Schüler können sich besser darauf vorbereiten.“ Der Aufbau der Klausuren folge einer festen und nachvollziehbaren Struktur. Die alten Klausuren seien einsehbar, verschiedene Aspekte könne man trainieren. „Es gibt inzwischen ja sogar Trainingshefte der Schulbuchverlage, um sich diese Strukturen anzueignen.“

Gesamtschulen: Starke Schwankungen in den Abi-Noten

Etwas anders fällt die Bilanz der Gesamtschulen aus. An der Holzkampschule schwanken die Leistungen von Jahrgang zu Jahrgang und lassen sich nicht vergleichen, so die Oberstufenleitung. Ebenso variiere die Zahl der Abiturienten. 82 seien es in diesem Jahr, 64 waren es im letzten.

2,5 Prozent mit Abi-Schnitt 1,0

In diesem Prüfungsjahr kann Witten eine „Super-Abiturientin“ vorweisen. Leni Carlotta Stolle vom Albert-Martmöller-Gymnasium hat eine ungewöhnlich hohe Punktzahl erreicht: 891 von 900 möglichen Punkten. Auch das NRW-Schulministerium nennt dies „eine besonders herausragende Leistung“.

Wie oft ein so gutes Abitur vorkommt, wird statistisch nicht erfasst. Eine 1.0er-Abi erreicht man bereits ab 823 Punkten, was in Witten etwa 2,5 Prozent aller Prüflinge schaffen. Weder am AMG, am Ruhr- oder am Schiller können sich die Schulleiter an so eine gute Leistung wie die von Leni Stolle erinnern.

Von 47 Abiturienten der Hardenstein-Gesamtschule haben in diesem Schuljahr neun eine Eins vorm Komma auf dem Abschlusszeugnis. Insgesamt fällt der Schnitt an der Hardenstein etwas schlechtes aus als der der Gymnasien. Bei 2,46 lag er im Jahr 2022. Oberstufenleiterin Heike von Glischinski führt eine Statistik nach Fächern.

Absolventen eines Sport- oder Erdkunde-Leistungskurses schneiden darin deutlich besser ab als im Fach Mathematik. „Eigentlich fällt auch das Abitur 2023 so aus wie immer, außer, dass die seit Jahren schlechten Leistungen im Fach Mathematik dieses Jahr noch schlechter waren“, bilanziert Heike von Glischinski. „Wir sind trotzdem zufrieden. Denn viele unserer Schüler und Schülerinnen hatten gar keine Gymnasialempfehlung und haben es trotzdem gut geschafft!“