Witten. Das hat selbst der Schulleiter noch nie erlebt: Leni Stolle aus Witten hat mit 891 von 900 möglichen Punkten ihr Abitur bestanden. Wie geht das?
Das schaffen landesweit nur ganz wenige: Leni Carlotta Stolle hat mit 891 von 900 möglichen Punkten das fast perfekte Abitur am Albert-Martmöller-Gymnasium in Witten hingelegt. Die 18-Jährige hat quasi, alle Fächer mit 1+ bestanden, schlechteste Note ist eine glatte Eins.
Offiziell gilt Lenis Leistung als 1,0-er Abitur, doch das sagt zu wenig aus. Allein am AMG gibt es in diesem Jahrgang laut Schulleiter Johannes Rienäcker sechs Mal den Abschluss 1,0. Der gilt für ein Gesamtergebnis zwischen 900 bis 823 Punkten. Leni dagegen hat drei der vier Abiturfächer – nämlich Sozialwissenschaften, Englisch und Latein – mit der Höchstzahl 15 Punkte bestanden, nur die Klausur im Mathe-LK wurde mit 14 benotet.
Guter Einstand an der Borbachschule
Wie kann man nur so gut sein? „Ich hatte immer Spaß an der Schule“, sagt die junge Frau. Und sie habe sich immer wohlgefühlt, in einer netten Klasse und guten Lehrern am AMG. Einen Teil des Erfolges schreibt sie ihrer Grundschullehrerin Annelie Kramer aus der Borbachschule zu, die seit einiger Zeit pensioniert ist. „Frau Kramer hat uns so viel an die Hand gegeben“, schwärmt sie. Von den Freundinnen, die mit ihr von der einzügigen Borbachschule ans große AMG wechselten, haben zwei weitere ein 1,0er-Abi geschafft, eine den Notendurchschnitt 1,1 und eine 1,2. Die Grundlagen aus der Grundschulzeit stimmten offenbar.
Hinzu kam eine gute Förderung durch die Eltern. Die Mama hörte gern Vokabeln ab oder hat mit auf die Lernzettel geguckt. Und der Papa dachte sich im Urlaub sogar Mathe-Klassenarbeiten aus, an der seine Tochter dann tüfteln konnte. Seit der ersten Klasse brachte Leni darum gute Noten nach Hause. Belohnungen, wie fünf Euro für eine Eins auf dem Zeugnis, gab es nicht. Damit wären die Eltern ja auch arm geworden!
Stark gemacht für Leseförderung
Die 18-Jährige hat sich in ihrer Freizeit neben sportlichen Hobbys wie Volleyball, Reiten, Leichtathletik oder Schwimmen, sehr in der Schule engagiert. War Mitglied der Schülervertretung (SV), gab Nachhilfe für Sechstklässler und hat sich im Bücherteam für die Leseförderung stark gemacht. In der Oberstufenzeit mochte sie besonders die kleinen Kurse. Zu ihrer schulischen Leistung trugen wohl auch ein kleiner Sowi-LK oder ein Latein-Grundkurs mit nur zehn Zöglingen bei.
Abiturnoten immer besser
Warum schaffen immer mehr Abiturienten einen Abschluss mit einer 1 vorm Komma? Am Albert-Martmöller-Gymnasium in Witten ist dies in diesem Abiturjahrgang einem Drittel aller Prüflinge gelungen. Davon haben sechs Schülerinnen oder Schüler den Notendurchschnitt 1,0, zwei 1,1, vier 1,2 und weitere vier 1,3.
„Das Abitur ist nicht leichter geworden, aber die Beurteilung gerechter“, findet AMG-Schulleiter Johannes Rienäcker. Seit 2007 werden die Aufgaben in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern landesweit einheitlich gestellt und nach einem standardisiertem Bewertungsraster beurteilt. Dadurch sind die Noten landes- und bundesweit vergleichbar. Der Einfluss der Lehrer, „die Selbstherrlichkeit“, so Rienäcker, wurde herausgenommen – und die Noten besserten sich.
Ein weiterer Grund sei das Lernen mit dem iPad gewesen, mit dem man sich automatisch besser organisiere. Für die Prüfungen hat sie aber oft handschriftlich Dinge notiert. Und: Sie hat nicht zu Hause, sondern zusammen mit anderen in einem Café im Wiesenviertel gelernt. Das gemeinsame Pauken steckte an, Ablenkung gab es kaum. „Manchmal hatte ich dann Kopfhörer auf, dann habe ich für mich, aber unter Leuten gelernt.“
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Jetzt hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. „Noch fühlt sich das an wie Ferien“, sagt Leni. Der Abschied sei ihr schon bei der Mottowoche schwergefallen, „die Schule hat ja zwölf Jahre lang meinen Alltag dominiert“. Was sie einmal studieren will, weiß sie noch nicht, vielleicht Mathe, Recht oder Wirtschaft. Jetzt stehen erst einmal der Abiball und Abenteuer an. Mit einigen Freundinnen will sie Anfang Juli zu einem sechswöchigen Interrail-Trip quer durch Europa aufbrechen. Im September wird sie für zehn Monate als Au-pair-Mädchen bei einer Familie in der Nähe von Barcelona wohnen. Zwei kleine Jungs, 4 und 6 Jahre alt, sollen ihr dann Spanisch beibringen. So lange von zu Hause weg, auf eigenen Füßen stehen und dann noch eine fremde Sprache? Leni winkt ganz selbstbewusst ab: „Man muss sich einer Herausforderung einfach stellen.“