Witten. Die Grundschulempfehlung kann gründlich danebenliegen: Nils Chur aus Witten wurde als Hauptschüler bewertet – und plant jetzt die Doktorarbeit.

Welche Schulform ist die richtige für mein Kind? Viele Viertklässler-Eltern müssen ihren Nachwuchs zurzeit an der weiterführenden Schule anmelden – und meist orientieren sie sich am Empfehlungsschreiben der Grundschule. Dass dieses gründlich daneben liegen kann, zeigt die Entwicklung von Nils Chur. Die Grundschule verließ er mit Hauptschulempfehlung, das Abi machte er mit einem Schnitt von 1,9 und zurzeit plant er die Doktorarbeit im Studienfach Elektrotechnik.

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Die Lehrkräfte seiner Grundschule in Witten hatten ihn eh in die „Problemkind“-Schublade gesteckt, denkt Nils Chur heute. Zu hibbelig, zu „verhaltensauffällig“ sei er als Kind gewesen, das ist auch ihm klar. Dazu kam eine Grundschulklasse, die bis zum letzten Platz gefüllt war. Die Lehrer hätten gar keine Zeit gehabt, sich um einzelne Kinder zu kümmern. Als in der dritten Klasse die ersten schlechten Noten kamen, frustrierte ihn das. Auch wenn der kleine Nils sich Mühe gab, wurden sie nicht besser. Sein Grundschul-Abschlusszeugnis wies einen Schnitt von 3,9 auf. Alles Vieren, nur eine Drei in Mathe. Die Klassenleitung empfahl damals Haupt- oder Realschule.

Gesamtschule brachte den Erfolg

Anmeldungen an den Gesamtschulen

Die Anmeldungen für die weiterführenden Schulen laufen zurzeit. Über die Homepage der jeweiligen Schule kann man dafür Termine buchen. Hier die Daten für die drei Wittener Gesamtschulen:

Hardenstein: Anmeldungen vom 3.2. bis 9.2., Infos sind unter www.hardenstein.eu zu finden. Infoveranstaltung für zukünftige Fünftklässer: Mittwoch, 1. Februar, 18 Uhr, Aula, An der Wabeck 4.

Holzkamp: Anmeldungen laufen zwischen 3.2. und 9.2.. Am Dienstag, 24.1., findet um 18 Uhr ein Informationsabend für die zukünftige Jahrgangsstufe 5 im Forum der Schule an der Holzkampstraße statt. Am 25.1.23 gibt’s um 14 Uhr einen Schnuppernachmittag mit Mitmachangeboten. Dazu kann man sich unter hge-witten.eu anmelden.

Otto-Schott: Auch an Wittens jüngster Gesamtschule starten die Anmeldungen am 3. Februar. Termine gibt es über die Seite osg-witten.de. Es wäre der zweite Jahrgang an der Otto-Schott-Gesamtschule, die zurzeit am Rhienscher Berg untergebracht ist (ehemals Overbergschule).

Heute würde der 25-Jährige den Lehrkräften von einst gerne mal ein paar Absätze aus seiner Masterarbeit über Automatisierungstechnik vorlesen. Die schreibt der ruhige junge Mann gerade an seinem Küchentisch, mit Blick in den winterlich verschneiten Garten, Hund und Freundin an seiner Seite. In seinem Studienfach ist er einer der besten. Von den 120 Kommilitonen, die mit ihm ins erste Semester starteten, schafften nur 51 den Bachelor. Nun spielt der Kämpener mit dem Gedanken, noch die Doktorarbeit nachzulegen.

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Während sein Bruder – heute mit Doktortitel in Physik – zum Gymnasium ging, wurde Nils an der Hardenstein-Gesamtschule angemeldet und konnte dort sein Talent entfalten. In der fünften und sechsten Klasse wurden die Noten langsam besser. „Es gab ja keine Schublade mehr“, sagt Nils Chur. In der Mittelstufe wurde er zum richtig guten Schüler. Weil ihm naturwissenschaftliche Fächer besonders viel Spaß machten, wählte er sie als Schwerpunkt. Mit Mathe- und Erdkunde-Leistungskurs, Physik und Deutsch als Grundkurs machte er 2016 sein Abitur. Schnitt: 1,9. Damit hat er sich an der Ruhr-Uni für einen Studienplatz in Elektrotechnik beworben und wurde direkt angenommen.

Erstmals schlechte Noten hinterfragt

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Das Prinzip Gesamtschule hat Nils rückwirkend überzeugt. „Da wurde erstmals hinterfragt, warum meine Noten eigentlich so schlecht sind. Dazu gab es Gespräche mit mir und meinen Eltern.“ Und: Im Vergleich zum Gymnasium gebe es weniger Leistungsdruck. Der „Zehner-Abschluss“ wurde gefeiert, das „Fachabi“ und das richtige Abitur. Immerhin ein Drittel seines Jahrgangs hatte sich nach der Mittleren Reife entschieden, weiterzumachen.

Darunter waren übrigens fünf Kinder, die mit ihm die gleiche Grundschule besucht hatten. Alle galten als Rabauken und niemand hatte ihnen das Abitur zugetraut.