Witten. Weltmarktführer Amplifon hat „Hörgeräte Steneberg“ übernommen und dominiert jetzt in Witten. Doch auch Einzelkämpfer können sich behaupten.
Der Hörgerätemarkt in Deutschland ist ein wachsender. Logisch, denn mit der höheren Lebenserwartung steigt auch die Zahl der Schwerhörigen. Branchenkenner sehen zurzeit aber eine Entwicklung, wie sie die Augenoptiker längst erlebt haben: Große Ketten verdrängen inhabergeführte Läden. In Witten sind jetzt die beiden Fachgeschäfte von „Hörgeräte Steneberg“ von der weltweit größten Hörakustik-Gruppe Amplifon übernommen worden.
Amplifon betreibt bereits eine seiner 600 Filialen in Witten, an der Beethovenstraße. Nun kommen die Geschäfte in Herbede (Vormholzer Straße 2) und an der Bahnhofstraße 55 hinzu. „Hörgeräte Steneberg“ hat seine sechs Fachgeschäfte an die italienische Handelsgruppe verkauft. Neben Witten sind dies die Filialen in Wetter, Herdecke, Recklinghausen und Waltrop. „Der Bereich um Dortmund war schon seit längerem ein wichtiges Expansionsziel“, kommentiert Frank Grothe, Leiter Integration bei Amplifon, die Übernahme.
Für die Wittener Kunden ändert sich erst einmal nichts. Die Mitarbeitenden seien weitestgehend übernommen worden. Die optische Umgestaltung der Geschäfte erfolge erst im Herbst 2023.
Ketten und inhabergeführte Fachgeschäfte
Die Zahl der Hörakustik-Geschäfte in Witten ist in den letzten Jahren angestiegen. Neben den drei Amplifon-Läden haben auch die Ketten Geers (Bahnhofstraße) und Kind (Centro Vital in Annen) je eine Filiale in der Ruhrstadt. Auch einige Optik-Ketten wie Apollo bieten inzwischen Hörsysteme an. Bekannt ist natürlich Paul Rybarsch, der sein vor über 50 Jahren an der Johannisstraße 17 gegründetes Geschäft an Henrike Koller und Anne-Kathrin Strototte abgegeben hat. Rybarsch Hörgeräte hat bereits acht weitere Filialen in Bochum, Schwerte, Wuppertal und Herne eröffnet.
Zwischen die Platzhirsche schieben sich aber auch kleine Betriebe wie „Hörsysteme Hörchen“ von Kerstin Köhl an der Stockumer Straße 26a in Annen. Bis November 2017 war Köhl als Filialleiterin bei einem Hörgeräteakustiker in Witten beschäftigt. Nach ihrer Elternzeit machte sich die Meisterin selbstständig. Ihr Konzept dabei: Weil es für die meist betagte Kundschaft schwierig sei, in die Läden zu kommen, legt sie ihren Fokus auf Hausbesuche.
„Witten Hört“: Zufrieden nach Neueröffnung
Eine ähnliche berufliche Vita hat Paul Lemke, der vor einem Jahr in der Johannisstraße 12 sein Studio „Witten Hört“ eröffnet hat. „Ich habe vorher bei mehreren großen Ketten gearbeitet“, erzählt der 40-jährige Hörakustikmeister. Ihm habe aber die Arbeitsweise mit viel Druck und zu erfüllenden Margen nicht behagt. Vor allem aber würden die Ketten nur die Geräte eines Zulieferers anbieten.
„Da ich nicht herstellergebunden bin, habe ich jetzt viel mehr Möglichkeiten, um den Kunden zu helfen.“ Mit seinem Schritt in die Selbstständigkeit sei er mehr als zufrieden: „Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen, unser Jahresziel haben wir schon vor Monaten erreicht.“ Lediglich der Fachkräftemangel mache ihm zu schaffen. Noch arbeite er nur mit einer Kollegin, ein Azubi oder Geselle wird händeringend gesucht.
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„Der Bedarf an Hörhilfen wächst auf lange Sicht“, davon ist Amplifon-Sprecherin Kerstin Taube überzeugt. So steige etwa die Zahl der Personen, die an arbeits- oder lärmbedingten Hörschäden leiden. Das seien zum Beispiel Menschen, die sich dauerhaft mit lauter Musik beschallen oder Festivals besuchen. „Die Schallgrenze von etwa 85 Dezibel wird dort oft überschritten“, so Taube.
Nach ihrer Einschätzung wachse auch die Akzeptanz von Hörgeräten. Bei Älteren gebe es noch die Angst, sich wie früher ein großes Gerät hinters Ohr hängen zu müssen. Die jetzt junge Generation wachse ja bereits damit auf, „was in den Ohren zu haben“ – man nehme nur die iPod-Kopfhörer.