Witten. . Hörgeräteakustikmeister Paul Rybarsch (77) will etwas kürzertreten. Die 37-jährige Henrike Koller übernimmt seinen Posten als Geschäftsführer.

Alles begann 1969 im Souterrain des früheren Arbeitsamts-Gebäudes am Wittener Rathausplatz. Paul Rybarsch, gebürtiger Düsseldorfer und Wahl-Herbeder, machte sich in den Räumlichkeiten als Hörgeräteakustiker selbstständig. Damals das erste Fachgeschäft dieser Art in der Stadt. Eine erfolgversprechende Firmengründung. Im Laufe der Jahre kamen Rybarsch-Geschäfte in Bochum, Schwerte und Wuppertal-Elberfeld hinzu. Und 1987 auch Anne-Katrin Strototte, mit der sich Rybarsch die Geschäftsführung fortan teilte. Jetzt stellt sich die Firma noch einmal neu auf: Paul Rybarsch, 77, hat seinen Geschäftsführerposten an Anne-Katrin Strotottes Tochter abgegeben: Henrike Koller, 37 Jahre jung, Hörgeräteakustikmeisterin und zweifache Mutter.

„Jedem von uns dreien gehört jetzt ein Drittel des Geschäftes“, erklärt Rybarsch, der betont, dass es wichtig sei, dass junge Leute eine Führungsrolle übernehmen. „Und Ältere müssen auch abgeben können!“ Seine Tochter Almut hat zwar einst eine Lehre im väterlichen Betrieb gemacht, wollte in diesem Beruf aber nicht dauerhaft arbeiten.

Almut Rybarsch-Tarry lebt als freischaffende Künstlerin in der Dortmunder Nordstadt. Die 48-Jährige hat das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in der Johannisstraße, das der Vater restaurieren ließ und in dem er seit 1992 sein Geschäft betreibt, mit viel Kunst bestückt. Paul Rybarsch: „Dass sie das hier als Hörgeräteakustikerin weiterführt, war nie ein Thema.“

„Das will ich auch mal machen“

Bei Henrike Koller war das ganz anders. „Meine Mutter stieg in die Firma ein, als ich drei Jahre alt war. Als Schülerin habe ich hier ein Praktikum gemacht.“ Nach diesen drei Wochen habe sie gewusst: „Das will ich auch mal machen“, sagt die Annenerin, die eine vierjährige Tochter und einen sechsjährigen Sohn hat. „Und einen Mann, der mich in meiner Arbeit sehr unterstützt.“ Ihre Ausbildung hat Henrike Koller in Hannover gemacht, die Meisterprüfung legte sie 2003 in Braunschweig ab. Seit 2007 arbeitet sie bei Rybarsch. Die Jahre außerhalb von Witten seien für sie wichtig gewesen, betont die 37-Jährige, die ihre Ausbildung nicht im mütterlichen Betrieb machen wollte. „Denn wie heißt es so schön: Einmal Lehrling, immer Lehrling.“

Paul Rybarsch machte zunächst eine Lehre als Ankerwickler

Berufe: Paul Rybarsch hat zwei. Aufgewachsen in Hilden, hat er nach seinem Schulabschluss eine Lehre bei der Düsseldorfer Rheinbahn gemacht. Wo auch sein Vater sein Geld verdiente. „Damals war das schwer, eine Ausbildungsstelle zu finden. Ich bin Ankerwickler geworden.“ Jemand, der Wicklungen von Motoren, Anlassern, Schalt- und Regelgeräten ersetzt und fertigt. „Einen Tag nach Abschluss der Lehre war ich da weg. Ich fand das total langweilig“, gibt Rybarsch schmunzelnd zu.

1969 in Witten den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt

Es folgte eine Anstellung bei einer Hildener Firma als Elektromaschinenbauer. Dann ging Rybarsch für ein Jahr nach Erlangen, wo er bei Siemens als Hörgeräte-Reparaturtechniker angestellt wurde. „Von 1963 bis 1969 war ich in der Siemens-Reparaturwerkstatt in Dortmund.“ Der Mann hatte seine Profession gefunden, legt seine Prüfung als Hörgeräteakustiker ab, wurde Meister.

1969 wagte Paul Rybarsch den Sprung in die Selbstständigkeit. „Ich bin nach Witten gegangen, weil ich da einen Bedarf sah. Hörgeräte konnte man damals in der Stadt nur im Sanitätshaus Richter bekommen.“ Ans Aufhören denkt der 77-Jährige noch nicht. „Ich versuche etwas weniger zu arbeiten.“ In seinem „Hörwinkel“ in der Johannisstraße ist er weiterhin regelmäßig. „Da habe ich ja mein Büro!“