Witten/Hattingen. Die 31 Schafe des Freizeitzentrums Kemnade sind derzeit noch immer in ihrem Winterquartier untergebracht. Und das sind die Gründe.

Idyllischer könnte der Anblick fast nicht sein: Bei strahlend blauem Himmel grast eine Herde Rhönschafe in der Nähe des Kemnader Sees. Ein einzelnes Tier liegt auf dem Boden und genießt offensichtlich die Sonnenstrahlen, die ihr aufs dichte Fell scheinen. Tiefenentspannt genießt hier auf einer Wiese an der Luhnsmühle die Herde der Freizeitmetropole Ruhr ihre letzten Tage im Winterquartier. Denn erst in der letzten Aprilwoche soll es für die derzeit 29 Schafe und zwei Böcke wieder zurück auf die Böschungen rund um den Kemnader See gehen.

Sonst sind die wollenen Landschaftspfleger meist bereits Ende März am Stausee unterwegs. Schuld an der Verspätung sind die Wetter-Kapriolen der letzten Wochen. Die Kälte macht den robusten Tieren zwar kaum etwas aus, wohl aber ihrer Nahrung. „Das Gras muss erst noch richtig kommen. Aktuell müssen wir einfach noch zu viel beifüttern“, erklärt Marco Christoffel, der als Betriebshandwerker beim Freizeitzentrum Kemnade arbeitet und sich im letzten Jahr zum Schafsexperten hat fortbilden lassen – wie vor ihm bereits zwei weitere Kollegen.

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Das Winterfutter der Schafe des Freizeitzentrums stammt von den eigenen Flächen rund um den Kemnader See

Das Heu im Winter-Unterstand stammt übrigens von den Wiesen rund um den Kemnader See. „Wir betreiben eine richtige Kreislaufwirtschaft“, sagt Tim Arnscheidt, Schaf-Pfleger der ersten Stunde. Ihr Winterfutter düngen die Tiere so nebenbei auch noch selbst. 2017 hat sich die Freizeitgesellschaft die hauseigene Herde angeschafft. Zuvor war fast zehn Jahre lang ein Essener Schäfer mit der Bewirtschaftung der Flächen beauftragt gewesen. Man ging nicht im Guten auseinander.

Auch zwei Böcke gehören zur Herde: Kurti und Hanni. Zu den „Mädels“, wie Betriebsleiter Dirk Clemens die Schafe liebevoll nennt, dürfen sie aber nur einmal im Jahr. „Sonst würden sie sich zu sehr vermehren“, lacht der 56-Jährige. Außerdem würde es bei Anwesenheit des weiblichen Geschlechts nur zu „Gekloppe“ zwischen den beiden Böcken kommen, ergänzt Arnscheidt.

Die Böcke Hanni (3 Jahre) und Kurti (6 Jahre und etwas kamerascheu) haben ihr eigenes Gehege auf dem Gelände der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr in Witten. Auch am See bleiben sie stets von den Schafen getrennt.
Die Böcke Hanni (3 Jahre) und Kurti (6 Jahre und etwas kamerascheu) haben ihr eigenes Gehege auf dem Gelände der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr in Witten. Auch am See bleiben sie stets von den Schafen getrennt. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

In diesem Jahr wird es keine Lämmchen geben

Also müssen die beiden Männchen sich selbst genug sein – in einem separaten Gehege. Kurti war übrigens das erste Lamm, das in der Schafherde des Freizeitzentrums geboren wurde. Er kam quasi als blinder Passagier an den Stausee – im Bauch seiner Mutter und ohne das Wissen seiner künftigen Besitzer. Am 1. April hat der Bock nun seinen sechsten Geburtstag gefeiert. Kurti und Hanni werden künftig auch nicht mehr für die Fortpflanzung eingesetzt. Im Laufe des Jahres soll ein neuer Bock hinzukommen, damit der Gen-Pool der Herde nicht zu gleichförmig wird.

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In diesem Jahr wird es übrigens – wie auch schon im vergangenen Frühjahr – keine kleinen Lämmchen am Stausee zu bestaunen geben. Das sei nötig gewesen, damit die Herde nicht zu groß werde, erklären die Schaf-Experten. Wie die Herde sich entwickelt, entscheidet die Natur. Nicht jedes gedeckte Schaf wird auch tatsächlich trächtig. Werden viele Weibchen geboren, wächst die Herde an. Denn männlicher Nachwuchs wird verkauft, die „Mädels“ bleiben am See. Doch nun hätten die beiden letzten Sommer den Schafen zugesetzt, einige ältere Tiere sind verstorben. Deshalb soll die Herde im nächsten Frühjahr wieder erweitert werden.

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Ein Eimer Futter ist besser als jeder Einfangversuch

Umringt von hungrigen Schafen (v.l.): Tim Arnscheidt (Schäfer und Betriebshandwerker), Dirk Clemens (Betriebsleiter Freizeitgesellschaft) und Marco Christoffel (Schäfer und Betriebshandwerker).
Umringt von hungrigen Schafen (v.l.): Tim Arnscheidt (Schäfer und Betriebshandwerker), Dirk Clemens (Betriebsleiter Freizeitgesellschaft) und Marco Christoffel (Schäfer und Betriebshandwerker). © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Dass sie auch anders können, zeigen die Tiere, die zwischen zwei und zehn Jahren alt sind, als sich Pfleger Marco Christoffel mit einem Eimer Futter nähert. Da ist von der anfänglichen Gemütlichkeit nichts mehr zu sehen, die ganze Herde stürmt auf ihn zu, drängt sich dicht an dicht um den 47-Jährigen, einige Schafe springen sogar an ihm hoch. „So ein Eimer ist besser als jeder Einfangversuch, wenn mal jemand ausgebüchst ist“, kommentiert Betriebsleiter Clemens das Geschehen schmunzelnd.

Dazu könnte es demnächst wieder kommen, wenn die Rhönschafe mit dem markanten schwarzen Kopf ans Stausee-Ufer umziehen und dort alle zwei Tage an einem anderen Abschnitt auf den Uferböschungen den für Menschen giftigen Riesen-Bärenklau bekämpfen. „Da haben sie richtig Spaß dran. Für Schafe ist das eine Delikatesse“, sagt Clemens. Doch leider komme es immer wieder vor, dass die Zäune zerschnitten werden oder absichtlich der Strom abgestellt wird.

„Einmal wurde uns auch schon der komplette Weidezaun mit Batterie geklaut“, sagt Arnscheidt. Doch da Schafe immer in der Gruppe zusammenbleiben, sei es meist kein großes Problem. Ärgerlich ist dieser Vandalismus, der nicht einmal vor den flauschigen Landschaftspflegern Halt macht, aber schon. „Aber da können Sie nichts machen“, resümiert Dirk Clemens. Bleibt zu hoffen, dass sich die meisten Besucher am Kemnader See auch in diesem Jahr wieder einfach nur am Anblick der Schafe erfreuen werden.

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