Witten. 40 statt 35 Stunden Arbeit ohne Lohnausgleich – nur ein Punkt auf der Reformliste der DEW in Witten. IG Metall steht eine „Gratwanderung“ bevor.

Der Konzern Swiss Steel will sein angeschlagenes Tochterunternehmen, die Deutschen Edelstahlwerke mit Hauptsitz in Witten, neu aufstellen und dadurch wieder profitabel machen. Vor allem die Verwaltung soll über einen Stellenabbau in den kommenden drei Jahren schlanker werden. Doch die Beschäftigten sollen auch erneut – wie bereits in den Jahren zuvor – auf Lohn verzichten. Für Heiko Reese, Stahlexperte der IG Metall in NRW, ist das am Donnerstag (23.3.) vorgestellte Programm „DEW 2025“ ein „Horrorkatalog“.

Unter anderem fordert das Unternehmen Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. „Das ist sehr schmeichelhaft umschrieben“, bewertet Reese diesen Vorstoß des Managements. Konkret bedeutet das: Statt wie bisher 35 Stunden, sollen die Stahlarbeiter in Witten, Krefeld, Hagen und Siegen künftig 40 Stunden arbeiten. Ohne einen Cent zusätzlich dafür zu erhalten.

IG Metall: Verhandlungen mit Unternehmen werden eine „Gratwanderung“

Dennoch ist der Gewerkschafter froh, „dass nun alles auf dem Tisch liegt“. Denn die Situation bei DEW sei nun einmal so, dass etwas passieren müsse. Sonst bestehe ein erhebliches Risiko, dass Arbeitsplätze in deutlich größerem Umfang als die vorgesehenen 400 verloren gehen. Die Verhandlungen mit dem Unternehmen werden laut Reese eine „Gratwanderung“: Zwischen möglichst wenig Verlusten für die Belegschaft und einer Zukunftsperspektive für DEW.

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Ein wichtiger Schritt für die IG Metall ist es nun, die Beschäftigten von der Notwendigkeit der Verhandlungen zu überzeugen. Denn sie muss sich zunächst den Auftrag dafür von ihren Mitgliedern abholen. Das könnte nicht ganz einfach werden. Bereits in den letzten Jahren war auch immer wieder Kritik an der IG Metall laut geworden, weil Mitarbeiter zwar auf Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld verzichtet haben, von Konzernseite aber keine spürbaren Veränderungen vorgenommen wurden.

Belegschaft gegen Erhöhung der Wochenarbeitszeit

„Das muss jetzt ein Ende haben“, sagt Stahl-Experte Reese. „Wir können nicht jedes Jahr aufs Neue über einen Beitrag der Belegschaft verhandeln.“ Auf der Betriebsversammlung im Ruhrkongress sei bereits klar geworden, dass die Beschäftigten eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit ablehnen, sagt der 49-Jährige. Auch die Gewerkschaft selbst sieht diesen Punkt kritisch.

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„Wir wollen nun bei jeder Maßnahme des Reform-Pakets wissen, was genau dahintersteckt und inwiefern das zu einem besseren Ergebnis der DEW beitragen kann“, so Reese. Etwa bei der Aufteilung der Edelstahlwerke in die zwei Prozessrouten Witten/Krefeld (Fertigung von Einzelteilen) und Hagen/Siegen (Fließfertigung, also Standardprodukte).

Von rund 4000 DEW-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind 1800 in der Verwaltung beschäftigt

Derzeit arbeiten bei DEW an allen Standorten rund 4000 Menschen, in Witten sind es 1600. Aus der Belegschaft heißt es, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten direkt mit der Herstellung der Produkte beschäftigt seien. Von 55 Prozent sei auf der jüngsten Betriebsversammlung die Rede gewesen. Die restlichen 45 Prozent, also 1800 Frauen und Männer, sitzen in der Verwaltung. Hier will der Konzern nun ansetzen und sozialverträglich über die nächsten drei Jahre Stellen abbauen, sagt ein Unternehmenssprecher.

Die beiden neuen Einheiten sollen nach Auskunft des Konzerns nur die für sie notwendige Verwaltung behalten. Andere administrative Aufgaben, etwa der Einkauf oder Personalverwaltung, sollen „in die Gruppe ausgelagert“, sprich zentral übernommen werden. Vor allem im Einkauf erhoffe man sich durch die Bündelung „sehr gute Effekte“. Des Weiteren will der Konzern sich von Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft gehören und unrentabel sind, trennen. Welche das sind, werde derzeit geprüft und im Juni – vorbehaltlich der Gespräche mit den Arbeitnehmer-Vertretern – entschieden.

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Insgesamt sollen über die kommenden drei Jahre 130 Millionen Euro eingespart werden, die Mitarbeiter sollen davon 20 Millionen durch Verzicht beisteuern. Die Beteiligung der Beschäftigten sei eine „Brücke“, da etwa die Maßnahmen in der Produktion sich nicht sofort finanziell bemerkbar machen würden. „Eine Nicht-Auszahlung von Sonderleistungen greift aber sofort“, so der Swiss Steel-Sprecher. Wie bei allen Maßnahmen handle es sich aber auch bei der Einsparsumme um Planungen. Diese werden in den kommenden Wochen mit den Arbeitnehmer-Vertretern und der IG Metall verhandelt.

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