Luzern/Hagen. Die Deutschen Edelstahlwerke stehen besonders im Fokus der Muttergesellschaft Swiss Steel. Warum die Belegschaft wohl auf Geld verzichten soll.
Auf dem Weg zu „grünem“ Stahl stehen die Deutschen Edelstahlwerke im Vergleich zu Mitbewerbern eigentlich glänzend da. Der Spezialstahlhersteller mit Werken in Nordrhein-Westfalen setzt seit jeher auf Elektrolichtbogentechnik. Ein Verfahren, bei dem die Schmelzöfen mit Strom betrieben werden, statt mit Kohle. Je mehr Energie dabei aus regenerativen Energien stammt, desto grüner wird der Stahl. Eine milliardenschwere Umrüstung von mit Kohle betriebenen Hochöfen ist nicht nötig. Weiteres Plus in Sachen Nachhaltigkeit: DEW setzt überwiegend Stahlschrott ein, der neu verschmolzen wird. Vorbildliche Kreislaufwirtschaft.
Dennoch ist die Lage für das Unternehmen mit Standorten in Witten, Krefeld, Hagen und Siegen prekär. Und damit auch für die rund 4000 Beschäftigten. „Unser Fokus 2023 liegt darauf, die DEW profitabel zu machen“, erklärte der Swiss Steel Vorstandsvorsitzende (CEO) Frank Koch am Mittwochmorgen bei der Vorstellung der Konzernbilanz für 2022 in Luzern.
Hohe Energiekosten am Standort Deutschland
Die Schweizer Swiss Steel Gruppe mit Tochterfirmen in Frankreich (Ascometal), Italien (Ugitech), USA (Finklsteel), der Schweiz (Steeltec) und eben in Deutschland (DEW) hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Produkte verkauft, liegt aufgrund weiter stark gestiegener Preise für die Tonne Stahl mit dem Umsatz aber nun über der Marke von vier Milliarden Euro. Ein Plus von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Stahlkonzern blieb 2022 in der Gewinnzone. Dennoch war es kein gutes Jahr für den DEW-Mutterkonzern. Die deutschen Standorte trifft die Energiepreiskrise besonders hart im Vergleich zu den Schwesterwerken in Frankreich, Italien und der Schweiz. Die Strompreise sind hier vergleichsweise hoch. Zur Weiterverarbeitung des in Siegen und Witten produzierten Stahls werden bei DEW Öfen mit Erdgas betrieben – ebenfalls extrem teuer. Versuche, Erdgas in Ringöfen durch Wasserstoff zu ersetzen, laufen im Werk in Krefeld. Eine Umstellung braucht aber noch Zeit und ist eher langfristig zu erwarten – wenn DEW eine Trendwende gelingt. Das Traditionsunternehmen hatte bereits seit Jahren Schwierigkeiten so profitabel zu werden, wie es sich die Schweizer wünschen.
IG Metall lehnt Verhandlungen derzeit ab
Die Formel im Schweizer Management lautet, dass die 4000 Beschäftigten einen finanziellen Beitrag leisten sollen, um endlich in die schwarzen Zahlen zu steuern. Der Konzern will sich aus dem Flächentarif verabschieden und strebt Haustarifverhandlungen an. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde dies bereits im Dezember vergangenen Jahres angekündigt. Bislang hat es allerdings noch keine Haustarifverhandlungen gegeben. Und das wird wohl auch nichts, stellt Heiko Reese, Stahlexperte der IG Metall NRW klar: „DEW ist in einer schwierigen Lage. Wir erwarten von der Geschäftsführung erst einmal Restrukturierungspläne.“ Die müssten dem angeschlagenen Unternehmen nachhaltigen auf einen aussichtsreichen Weg in die Zukunft verhelfen. Erst dann könne erneut über zeitlich befristete Abweichungen vom Flächentarif verhandeln, wie sie bis Ende vergangenen Jahres schon einmal galten. 2021 und 2022 hatte die Belegschaft bereits auf Urlaubsgeld und einen Teil des Weihnachtsgeldes verzichtet – ohne nachhaltige Effekte, wie die IG Metall meint.
Neuer Industriestrompreis soll helfen
Eine wesentliche Rolle für die gesamte deutsche Industrie spielt nach Ansicht der Gewerkschafter der Strompreis in Deutschland. Die IG Metall fordert umgehend einen Industriestrompreis, damit international agierende Unternehmen gegenüber Firmen im Ausland wettbewerbsfähig bleiben können. Am Donnerstag findet dazu eine Veranstaltung der IG Metall NRW unter anderem am DEW-Hauptsitz in Witten statt.
Man könnte Swiss-Steel-Chef Frank Koch so verstehen, dass 2023 für DEW ein entscheidendes Jahr wird. Entweder bleibt DEW auf dem Weg zu Europas Nummer eins in Sachen „grüner“ Stahl, oder es dürfte tiefe Einschnitte geben.