Witten. Statt einer Sonderzahlung von 500 Euro gibt’s zwei freie Tage für DEW-Mitarbeiter aus Witten. Die IG Metall kritisiert das kurzfristige Vorgehen.

Erneut herrscht Unruhe unter den Beschäftigten der Deutschen Edelstahlwerke (DEW) in Witten. Die Geschäftsführung hat entschieden, eine Sonderzahlung, die sich aus dem Flächentarifvertrag für die Eisen- und Stahlindustrie in NRW ergibt, nicht auszuzahlen, sondern diese in freie Tage umzuwandeln. Es geht um insgesamt 500 Euro pro Mitarbeiter.

Im Dezember und im kommenden Februar hätte jeder Stahlkocher je 250 Euro erhalten. Stattdessen hat nun jeder Anspruch auf zwei zusätzliche freie Tage. Die Option, das Entgelt in Freizeit umzuwandeln, ist so auch ausdrücklich im Tarifvertrag festgehalten. Die Geschäftsführung von DEW begründet den Schritt mit „aktuellen Beschäftigungsschwierigkeiten“.

Betriebsrat von DEW in Witten wollte Umwandlung in Freizeit noch verhindern

Rechtlich gesehen ist das Vorgehen einwandfrei. Der Betriebsrat hatte aber vorab an die Unternehmensleitung appelliert, ihre Entscheidung zu überdenken und die Sonderzahlung an die Belegschaft zu überweisen. „Aufgrund der gesamten Situation, die zum Teil hinter uns liegt, hätten wir erwartet, dass dieses Geld zur Auszahlung kommt“, heißt es in einem Schreiben des Betriebsrates an die Mitarbeiter.

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In Witten und an anderen Standorten des Konzerns waren während der Corona-Pandemie, aber auch bereits zuvor zahlreiche Mitarbeiter in Kurzarbeit. Anfang des Jahres hatten sich Gewerkschaft und Unternehmen nach zähen Verhandlungen auf einen Restrukturierungstarifvertrag geeinigt, der das Überleben des angeschlagenen Stahlkonzerns sichern soll. Die Mitarbeiter verzichten darin für 2021 und ‘22 auf ihr Urlaubsgeld. Außerdem wird in diesem und im nächsten Jahr nur die Hälfte des Weihnachtsgeldes ausgezahlt.

IG Metall und Betriebsrat kritisieren Kurzfristigkeit der Entscheidung

Die IG Metall kritisiert vor allem die Kurzfristigkeit der Entscheidung deutlich. „Wir sind davon überrascht worden“, sagt Wittens Gewerkschaftschef Mathias Hillbrandt. „Die Art und Weise der Kommunikation ist sehr unglücklich.“ Man wäre gerne früher eingebunden worden.

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Auch der Betriebsrat nennt das Vorgehen in seinem Schreiben „befremdlich“. Erst drei Tage vor Ablauf der Frist habe die Geschäftsführung ihre Entscheidung mitgeteilt. „Wir hätten erwartet, dass man früher mit uns redet, um gemeinsame Lösungen zu finden.“

Unmut unter den Beschäftigten ist groß

Es herrsche großer Unmut unter den Beschäftigten, sagt IG-Metall-Chef Hillbrandt. Regelmäßig würden Beschwerden von DEW-Angestellten bei ihm auflaufen. „Das versteht hier keiner, die Motivation ist im Keller“, sagt einer von ihnen.

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Das Problem dabei laut IG Metall: Einige Bereiche des Unternehmens würden gerade gut laufen, etwa das Stahlwerk. Andere aber nicht. So ist der Standort in Hagen vom Hochwasser im Juli extrem getroffen worden. Auch das Werk in Siegen habe keine hohe Auslastung. „Und das hängt ja alles miteinander zusammen. Für den Einzelnen ist das Konstrukt aber extrem undurchsichtig.“

Mutterkonzern rechnet mit über 150 Millionen Gewinn

Schon vor der Pandemie kriselte es bei DEW. Bereits Ende 2019 meldete der Stahlkonzern wegen fehlender Aufträge Kurzarbeit an. An den NRW-Standorten werden bis 2024 rund 400 Stellen abgebaut. Aktuell erholen sich die Edelstahlwerke und ihr Mutterkonzern, die Swiss Steel Group, langsam.

Für das Jahr 2021 rechnet das Unternehmen mit einem operativen Gewinn zwischen 150 und 180 Millionen Euro vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Die Nachfrage gerade der Autoindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Energiebranche hat wieder angezogen.

Gerade deshalb wäre man gerne früher informiert worden, um den Mitarbeitenden die Situation zu erläutern. Denn, so Hillbrandt, die Deutschen Edelstahlwerke würden sich zwar langsam erholen. Am rettenden Ufer sei man aber noch nicht. Die DEW-Geschäftsführung wollte sich auf Nachfrage der Redaktion nicht äußern. Auch der Betriebsratschef wollte am Freitag keine weitergehenden Fragen beantworten.