Witten. Ende 2021 hat die Stadt Witten Streetworker eingestellt, um Konflikte mit Jugendlichen zu minimieren. Die beiden schildern, ob das gelungen ist.
Es dauert nur wenige Minuten, bis Hannes Lügering (25) auf der Straße erkannt wird. Ein Jugendlicher klatscht mit ihm zur Begrüßung ab – nach rund anderthalb Jahren im Amt ist Lügering in der Stadt bestens vernetzt. Er ist einer von zwei hauptberuflichen Streetworkern, die das Team des Wittener Jugendamtes seit Oktober 2021 verstärken.
Seit Februar bildet er ein Duo mit Joona Herrmann (27). Gemeinsam kümmern sich die beiden um Jugendliche im öffentlichen Raum. Ihre Stellen wurden ursprünglich geschaffen, um das Problem mit randalierenden Jugendlichen – insbesondere am Kornmarkt und an der Johanniskirche, in den Griff zu bekommen. Ist das gelungen? Auf den ersten Blick ja, sagt Hannes Lügering: „Es ist ruhiger geworden.“
Wittener Streetworker nehmen keine größere Gewaltbereitschaft wahr
Doch gelöst ist das vermeintliche Problem damit nicht, wie er sagt: „Die Jugendlichen haben auch keine Lust auf Stress mit dem Ordnungsamt oder der Polizei. Wenn an einem Ort die Polizeipräsenz erhöht wird oder Überwachungskameras installiert werden, ziehen sie eben weiter zum nächsten Ort.“ – Ein Teufelskreis.
Dabei sieht der 25-Jährige die Schuld für immer wieder aufkommende Konflikte wegen Ruhestörungen nicht (nur) aufseiten der Jugendlichen. Sich an öffentlichen Plätzen – wie dem Kornmarkt – aufzuhalten, sei ihr gutes Recht: „Wir dürfen nicht vergessen, dass das nicht verboten ist.“ Er versteht sich dahingehend als Anwalt der Jugendlichen. Ihm und Joona Herrmann ist die Abgrenzung zu Ordnungsamt und Polizei wichtig.
Den Eindruck, dass die Verrohung unter Kindern und Jugendlichen zunähme, können beide – zumindest aufgrund ihrer Arbeit im öffentlichen Raum – für Witten nicht bestätigen. Auch Gewaltstatistiken würden das widerlegen. Lügering hat aber eine Erklärung dafür, woher dieser Eindruck kommt: „Das Wiesenviertel ist da ein gutes Beispiel“, sagt er. „Während der Coronazeit und den Lockdowns war es besonders ruhig, weswegen der Lärmpegel, der vor Corona auch schon da war, jetzt als extremer wahrgenommen wird.“
Jugendliche wünschen sich in Witten einen öffentlichen Treffpunkt
Die beiden setzen bei ihrer Arbeit auf Gespräche und Vertrauen. „Wir haben die Jugendlichen gefragt, was sie sich für Witten wünschen“, sagt Lügering. Die Ergebnisse waren zuletzt auch Thema im Jugendausschuss der Stadt. Neben Sport- und Kulturangeboten wurde ein Thema von den Jugendlichen besonders häufig angesprochen: Witten fehlt ihrer Meinung nach ein öffentlicher Treffpunkt.
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Überdachte Sitzgelegenheiten müsste dieser haben und zentral gelegen sollte er sein. Aber mit möglichst wenigen Anwohnern, die sich von Musik oder Gesprächen gestört fühlen könnten, so der Vorschlag vieler Jugendlicher. Dass sich das nicht unbedingt schnell umsetzen lässt, wissen auch Lügering und Herrmann. Die beiden versuchen, Alternativen zu finden.
Wobei die Streetworker helfen
Hannes Lügering und Joona Herrmann sind vorwiegend in der Innenstadt und in Annen unterwegs. Sie sind nicht nur Ansprechpartner in Freizeitangelegenheiten, sondern unterstützen Jugendliche auch bei Behördengängen. Zum Beispiel wenn es darum geht, eine Ausbildungsstelle, einen Therapieplatz oder eine Wohnung zu finden.
In diesem Jahr wollen die Streetworker eine feste Beratungsstelle einrichten, an der sie anzutreffen sind. Wer die beiden nicht auf der Straße ansprechen möchte, kann die Streetworker auch über
Instagram (streetwork_witten) oder über WhatsApp (0173 4969845) kontaktieren.
Die Veranstaltungsreihe „Best Place“ ist eine davon. Im vergangenen Sommer organisierten die Streetworker zusammen mit der Jugendkulturarbeit, der „Werk Stadt“ und nicht zuletzt den Jugendlichen selbst eine ganze Reihe von Aktionen, bei denen sich Kinder und Jugendliche die Zeit vertreiben konnten. So zum Beispiel bei Fußballturnieren oder Graffiti-Workshops. Mit Erfolg: In diesem Jahr soll die Reihe unter dem Namen „Next Place“ fortgesetzt werden.
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