Witten. Wolfgang Preusche aus Witten wird 103 Jahre alt und erinnert sich an sein Leben zurück. Zum Teil musste er sich durch schwere Zeiten kämpfen.

Der Schein trügt. Zumindest wenn es um Alter und Erscheinungsbild von Wolfgang Preusche geht. Zwar sieht er aus wie Anfang 80, ist jedoch einer von vier Männern in Witten, die älter als 100 sind. An diesem Dienstag (7.2.) wird Wolfgang Preusche 103. In seinem Zimmer im Lutherhaus sitzt er in einem Sessel und erinnert sich an sein Leben zurück.

Der Fernseher läuft noch, und zwar ziemlich laut, woraufhin er ihn ausschaltet. „Ich kann nicht mehr ganz so gut hören“, erklärt der Wittener. Für ein Hörgerät viel Geld auszugeben, das mache für ihn aber nicht mehr allzu viel Sinn. „Da habe ich ja dann nicht mehr so lange was von“, sagt Preusche und lächelt. Wer nun denkt, dass der gebürtige Schlesier pessimistisch ist – Fehlanzeige. Wenn er von seinem Leben erzählt, dann lässt sich stets heraushören, dass er Optimist ist. „Ich bin in eine schlechte Zeit hinein geboren worden, aber ich kann nicht sagen, dass ich unglücklich war“, erzählt er.

Wittener machte Ausbildung bei der Sparkasse

Im Gegenteil – oft habe er großes Glück gehabt. Im Krieg musste er nicht zum Heer, sondern arbeitete für die Marine. Eine schwere Lungenentzündung überstand er unbeschadet. Die wirklich schwere Zeit, sagt Wolfgang Preusche, die kam bei ihm erst nach dem Krieg. Immer sei er darauf bedacht gewesen, seinen Platz zu finden – und dafür brauchte es ein bisschen.

Zunächst lebte er im sauerländischen Plettenberg, wo er seine Frau Charlotte kennenlernte, mit der er 56 Jahre verheiratet war. „Sie hat immer zu mir gehalten, auch wenn wir erstmal wenig hatten“, erzählt Wolfgang Preusche. Eine Weile musste er in einer Fabrik arbeiten. Weil er aber vor dem Krieg eine kaufmännische Lehre bei der Sparkasse gemacht hatte, war er später Buchhalter für verschiedene Firmen.

So richtig zufrieden, erinnert er sich, war er aber mit seinem Beruf noch nicht. Das änderte sich 1971. Mittlerweile lebte er in Bochum und stieß auf eine Stellenanzeige für ein Architektenbüro. Er zögerte nicht, bewarb sich und bekam den Job als kaufmännischer Abteilungsleiter. „Ich war zwar schon 50 und viele sagten mir, ich sei bereits zu alt, aber ich habe die Chance ergriffen und von da an ging es uns wirklich gut“.

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Auf die Frage, wie er es schafft, mit 103 noch so fit zu sein, hat er eine klare Antwort: „Bewegung ist Leben“. Und zählt auf, was er alles schon so gemacht hat. Schwimmen, Rad fahren, Leichtathletik, Federball und Tennis. Später machte er seinen Segelschein und kaufte sich eine eigene Jolle. „Mit meiner Frau bin ich außerdem immer Campen gefahren, ans Meer oder in die Berge“, erinnert er sich.

Mittlerweile lebt Wolfgang Preusche im Lutherhaus

Der seit heute 103-Jährige achtet augenscheinlich auf sich. Er trägt Hemd und Pullunder, eine graue Anzughose und schicke Lederschuhe. Sein graues, noch volles Haar hat er gewissenhaft gekämmt. Schmerzen am Körper habe er überhaupt nicht, auch keine Gelenkbeschwerden. Wer sich nun fragt, warum Wolfgang Preusche im Lutherhaus lebt, wenn er noch so gut drauf ist: Nach zwei Herzinfarkten zog er zunächst für sieben Jahre in den Rigeikenhof. Dann wurde sein Augenlicht immer schlechter. „Irgendwann habe ich so wenig gesehen, dass ich teils den Schimmel auf dem Käse nicht erkannt habe“, erzählt er.

24 Menschen über 100

Derzeit sind 24 Personen in Witten 100 Jahre oder älter (Stand 7. Februar 2023). Unter ihnen befinden sich 20 Frauen und vier Männer. Zehn Personen sind genau 100, 14 Personen sind 101 Jahre oder älter.

Frauen haben in NRW laut dem statistischen Bundesamt Stand 2020 im Durchschnitt eine Lebenserwartung von 83 Jahren, Männer eine von 78.

Da war der Zeitpunkt gekommen, doch in ein Pflegeheim zu wechseln. Seit etwas mehr als einem Jahr lebt Wolfgang Preusche nun hier. Seine Kinder wohnen in Langendreer und Herbede, er hat vier Enkel und zwei Urenkel. Doch das hohe Alter hat seine Schattenseiten. Manchmal fühle er sich einsam, sehnt sich nach Unterhaltung und Abwechslung. Die Bewohnerinnen und Bewohner im Altenheim verstehe er teils sehr schlecht. Die meisten seiner Freunde leben nicht mehr. Aufgeben kommt für Wolfgang Preusche aber nicht in Frage. Für das neue Lebensjahr hat er vor allem ein Ziel: Er möchte die 104 knacken.