Witten. Ein 83-jähriger Wittener saß in dem Zug in Norddeutschland, in dem ein Mann auf Fahrgäste eingestochen hat. Hier schildert er seine Eindrücke.
„Es war alles voller Blut!“ Christoph von Bodelschwingh aus Witten saß in dem Zug von Kiel nach Hamburg, in dem am Mittwoch (25.1.) mehrere Fahrgäste mit einem Messer angegriffen und zwei Menschen getötet wurden. Der 83-Jährige ist dankbar, mit dem Leben davongekommen zu sein, muss die Ereignisse aber erst noch verarbeiten.
Bodelschwingh, der viele Jahre Pfarrer in der Dorfkirche in Wengern war und sich ehrenamtlich bei den Grünen Damen um die Patienten im Evangelischen Krankenhaus Witten gekümmert hat, war auf der Rückfahrt. Er hatte seinen Bruder am Plöner See besucht und saß mit über 100 anderen Passagieren im Regionalexpress nach Hamburg, wo er in seinen Zug gen Ruhrgebiet steigen wollte. „Auf einmal rannten die Leute raus. Ich wusste gar nicht, was los war“, sagt der Rentner am Donnerstag zur WAZ. „Ich dachte nur, du musst auch raus.“
Wittener: „Überall war Blut, an den Griffen, auf den Fluren“
Er sei durch den ganzen Zug gelaufen und dann vorne ausgestiegen. „Überall war Blut, an den Griffen, auf den Fluren.“ Bodelschwingh saß oben und vermutet, dass der Anschlag nicht weit von ihm entfernt weiter hinten passiert ist. „Deshalb war der Zug schon so leer.“ Auch auf dem Bahnsteig habe er Blutspuren gesehen. „Ich sah überall Verletzte liegen und Leute mit Tränen in den Augen. Es war wie ein Schlachtfeld.“ Er sei ein wenig herumgeirrt, überall waren Polizei und Rettungskräfte. „Ich konnte nur ahnen, dass etwas Schreckliches geschehen ist.“
Gegen halb vier sei er schließlich in einen Bus gestiegen, mit dem die gestrandeten Passagiere nach Hamburg gebracht wurden. Inzwischen hatte ihn sein Bruder angerufen, natürlich voller Sorge, ob ihm etwas passiert sei. Noch auf dem Bahnhof war Christoph von Bodelschwingh vom NDR interviewt worden.
Interview mit dem NDR-Fernsehen kurz nach der Tat
Dort hatte er das gerade Erlebte zuerst geschildert: „Auf einmal rannten alle Passagiere mit aller Wucht raus und ich nahm meine Sachen und rannte hinterher. Dann bin ich durch den ganzen Zug gelaufen, das waren vier, fünf, sechs, sieben Wagen, alles voller Blutspuren.“ Später riefen ihn viele Freunde und Bekannte an, weil sie ihn im Fernsehen gesehen hatten.
Seinen Zug ins Ruhrgebiet hat der 83-Jährige tatsächlich noch erwischt. Doch die schrecklichen Bilder wollen ihm nicht so schnell aus dem Kopf. „Ich muss dankbar sein, dass ich nicht dazwischengeraten bin“, sagt der gebürtige Ostwestfale zur Lokalredaktion Witten. Seine Gedanken sind bei den Toten, einer 17-Jährigen und einem 19-Jährigen, und den sieben oder acht Verletzten. Christoph von Bodelschwingh aus Bommern ist noch einmal mit dem Leben davongekommen.