Witten. Um rasch zum Parkplatz des Freizeitbads in Witten zu kommen, hat eine Autofahrerin die Abfahrt als Auffahrt genutzt – und einen Mann angefahren.
Sehr unterschiedliche Versionen ein und desselben Geschehens hörte das Amtsgericht in Witten bei einem Prozess um einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Nötigung und gefährliche Körperverletzung.
Angeklagt war eine 58-jährige Ennepetalerin. Die Frau war im vergangenen Jahr während des Zeltfestivals Ruhr in Gegenrichtung auf den Parkplatz des Freizeitbades Heveney gefahren, um so schneller ans Ziel zu gelangen. Als sie ein Parkwächter an der Weiterfahrt hindern wollte, fuhr sie den Mann an – und ging anschließend ins Solebecken.
Die Angeklagte gab vor Gericht zu, am 28. August von der Autobahn aus kommend nach links abgebogen zu sein – und zwar verkehrswidrig auf die Ausfahrtspur des Parkplatzes. Die eigentliche Zufahrt war mit Leitkegeln gesperrt, weil der Parkplatz bereits voll war. Danach sieht sich die zweifache Mutter aber selbst mehr als Opfer denn als Täterin.
Wittener Richterin fordert Umdenken
Den Parkplatzwächter beschrieb die Frau im Gerichtssaal als aggressiv. Von hinten sei er an ihrem Auto vorbeigerannt und vor das Fahrzeug gesprungen. Sie habe seine Anweisung, rückwärts zurückzufahren, nicht befolgt, weil sie niemanden gefährden wollte. Es sei voll gewesen, auch viele Kinder seien unterwegs gewesen. Sie habe an die Seite fahren wollen, um wartende Autos aus dem Parkplatz herauszulassen, den sie mit ihrem Fahrzeug blockierte.
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Daraufhin habe der Mann wild gestikuliert und geschrien. „Ich habe mich bedroht gefühlt“, sagte die Frau. Irgendwann sei sie kurz vorgefahren, habe dann zurückgesetzt, um die Autos vorbeizulassen, und sei anschließend auf den Parkplatz abgebogen. „Eine geringfügig falsche Handlung“ sei das gewesen, so ihre eigene Einschätzung.
Die Vorsitzende Richterin und der Staatsanwalt forderten die Angeklagte mehrmals auf, ihre Einstellung zu überdenken. Schließlich sei sie wegen einer Straftat angeklagt, nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit. Zudem hatte die Frau gegenüber einer Polizeibeamtin bei einer ersten Vernehmung vor Ort selbst gesagt, dass sie „das immer so mache“. Schließlich sei sie Stammgast im Freizeitbad und sehe es nicht ein, wegen des Zeltfestivals lange in der Parkplatzschlange zu stehen.
Zeugen zeichnen ein anderes Bild
Auch die geladenen Zeugen zeichneten ein anderes Bild des Sonntagnachmittags. Die Frau habe im Auto herumgebrüllt. Zweimal sei sie auf den Parkplatzwächter zugefahren – wenn auch langsam und aus geringem Abstand – und habe ihn mit ihrem Auto berührt. Die Frau habe nie zurückgesetzt, auch seien keine weiteren Fahrzeuge im Spiel gewesen. Nachdem er zweimal angefahren wurde, machte der Wächter schließlich Platz, die Frau fuhr weiter auf den Parkplatz. Sie nutzte dafür – wieder entgegen der Fahrtrichtung – eine Baustraße, die während des Festivals als Ausfahrt für den Parkplatz auf der Wiese diente.
Das Schöffengericht folgte in seinem Urteil der Darstellung von Staatsanwaltschaft und Zeugen. „Sie können nicht einfach auf einen Menschen zufahren, nur weil sie mit ihrem Auto durchwollen“, mahnte Amtsgerichtsdirektorin Barbara Monstadt. Zum Glück sei nichts Schlimmes passiert, aber das Risiko schwerer Verletzungen habe bestanden. Man stelle sich nur vor, der Parkwächter wäre unglücklich gefallen und auf dem Kopf gelandet, so die Richterin. „So etwas sehen wir hier immer wieder.“
Ennepetalerin ist Führerschein vorerst los
Das Gericht verurteilte die Ennepetalerin wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Nötigung und versuchter Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Auch ihren Führerschein, der nach dem Vorfall vorläufig eingezogen wurde, bekommt die Angeklagte nicht so schnell zurück. Erst nach einer Sperrfrist von neun Monaten kann sie sich wieder um eine neue Fahrerlaubnis bemühen.
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Bei der Bemessung der Strafhöhe kamen der 58-Jährigen ihr lupenreines Vorstrafenregister und keinerlei Punkte in Flensburg zugute. „Aber Sie sind einfach weggefahren – ohne nachzusehen, ob der Mann verletzt war“, sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung.