Witten. Angriffe auf Wittens russische Partnerstadt Kursk: Der Freundeskreis ist besorgt. Über das Ausmaß der Folgen gibt’s widersprüchliche Aussagen.

Die russische Partnerstadt Kursk war Ziel mehrerer Drohnenangriffe. Auf dem Flughafen, der vor allem militärischen Zwecken dient, brach ein Feuer aus. Das Treibstoffdepot einer Industrieanlage ging in Flammen auf.

Die russische Regierung macht die Ukraine für den Angriff auf Kursk verantwortlich, das rund 80 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Angeblich soll es weder Tote noch Verletzte gegeben haben. „Es war der reine Horror“, heißt es allerdings in einer Mail, die Rita Boele, Vorsitzende des Freundeskreises Witten-Kursk, aus der russischen Stadt erreichte.

Stundenlang dichte Rauchwolken über Wittens Partnerstadt

Der Absender gehört zum Kreis derer, die mit Witten Kontakt halten. Rauchenwolken standen dem Schreiben zufolge lange Stunden über der Stadt. Schulen in der Nähe blieben geschlossen. Das alles klinge besorgniserregend, so die Vorsitzende. Doch seit Beginn des Krieges sei es eben schwierig, an genaue Informationen zu gelangen.

Freundeskreis fordert ein Ende des Krieges

Die Städtepartnerschaft zwischen Witten und Kursk besteht inzwischen seit 35 Jahren. Bei einer der ersten Protestkundgebungen in Witten nach dem Überfall auf die Ukraine forderte der Freundeskreis, den Krieg zu beenden.

In einem Schreiben des Freundeskreises an den russischen Präsidenten heißt es: „Wer will noch von Völkerverständigung sprechen, wenn gleichzeitig gebombt und geschossen wird?“

Ob in einer solchen Mail das wahre Ausmaß der Folgen des Angriffs zur Sprache komme, sei fraglich. Denn die Menschen seien in allen Äußerungen, die in irgendeiner Form mit Politik zu tun haben, sehr vorsichtig. Dahinter stecke die Angst vor Verfolgung bis hin zu Haftstrafen. In dem Schreiben heiße es ferner, dass das Grauen bald ein Ende finden solle. Ob damit auch der Ukraine-Krieg gemeint sei, bleibe wahrscheinlich aus besagtem Grund offen.

Zurückhaltung in politischen Aussagen spüre man auch in den regelmäßigen Videokonferenzen, an denen Vertreter der Partnerschaftskreise hüben und drüben teilnehmen. Das mache sich nun mal seit Beginn des Ukrainekrieges sehr stark bemerkbar, sagt Boele. Statt Politik stehe in den gemeinsamen Runden oftmals eher Privates im Mittelpunkt. Den Kontakt wolle der heimische Partnerschaftskreis gerade oder auch trotz veränderter Vorzeichen aufrechterhalten. Und auch die russische Seite gebe immer wieder zu erkennen, wie sehr ihr an der Verbindung gelegen ist.

Frauen aus Kursk fordern unter Tränen Informationen über Männer und Söhne

Als sehr schwierig erweise es sich, von Witten aus eine Einschätzung abzugeben, wie es um die Stimmung in der Bevölkerung bestimmt ist. Ob oder in welchem Maß die Menschen hinter Putin stehen, darauf sei keine eindeutige Antwort möglich. Aufhorchen lasse aber ein Video, dass sie vor kürzlich erhalten habe, so Boele.

Rita Boele vom Freundeskreis Witten-Kursk bei der Friedenskundgebung gegen den Ukraine-Krieg Anfang März: Damals wie heute lautet die Forderung, dass die russischen Truppen aus der Ukraine zurückziehen sollen.
Rita Boele vom Freundeskreis Witten-Kursk bei der Friedenskundgebung gegen den Ukraine-Krieg Anfang März: Damals wie heute lautet die Forderung, dass die russischen Truppen aus der Ukraine zurückziehen sollen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Es zeigt eine Gruppe von Frauen, die auf offener Straße zusammenstehen, einige von ihnen brechen immer wieder in Tränen aus. Sie beklagen, seit der Mobilmachung am 10. Oktober keinen Kontakt mehr zu ihren Männern oder Söhnen zu haben. Vom Tag der Einberufung an herrsche Funkstille. Es gebe weder Anrufe noch Textmitteilungen. Die Frauen schildern, dass sich auf Nachfrage weder die Stadtverwaltung noch örtliche Kasernen für zuständig erklären. An welche Stellen sie sich auch wenden, bekommen die Mütter und Ehefrauen immer wieder zu hören, sie sollten sich doch ans Verteidigungsministerium wenden. Die Gruppe hat offensichtlich auch versucht, mit dem Lokalfernsehen Kontakt aufzunehmen. Der Sender habe die Frauen aber abgewimmelt.

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Als die Vorsitzende die Aufnahmen in einer der Videokonferenzen ansprach, habe sich allerdings niemand dazu äußern wollen, sagt Boele. Auch das deute darauf hin wie sehr sich die Menschen unter Druck gesetzt fühlen.