Witten. Seit Monaten warnen Kita-Träger in Witten vor dem Fachkräftemangel. Nun wird es akut. In Bommern werden Kinder nur an jedem zweiten Tag betreut.

Vielen Eltern stecken die anstrengenden Wochen der Kitaschließungen während der Corona-Hochphase noch immer in den Knochen. Eigentlich sollte längst wieder Regelbetrieb herrschen. Stattdessen ist in vielen Kindergärten in Witten die Notgruppe zum Standard geworden, bedingt durch einen akuten Personalmangel. Vorm „Kita-Kollaps“ hatten viele Träger schon im Frühjahr 2022 gewarnt. Jetzt scheint er eingetreten zu sein.

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Der Evangelische Kindergartenverbund Hattingen-Witten hatte im April einen offenen Brief an den damaligen NRW-Familienminister Joachim Stamp geschickt. Wegen des Fachkräftemangels könne das Betreuungssystem künftig nicht mehr so aufrechterhalten werden. „Leider haben wir nie eine Antwort seitens des Ministeriums erhalten“, sagt die Geschäftsführerin des Kindergartenverbunds, Angelika Arend.

„Der Begriff Fachkräftemangel ist eigentlich irreführend, da es aktuell so gut wie keine geeigneten Fachkräfte mehr für die Kindergärten gibt.“ Heißt: Sollte eine Erzieherin zum Beispiel wegen Krankheit länger ausfallen, wird die Gruppe geschlossen und die Kinder werden nicht mehr betreut. „Als Träger sind wir an rechtliche Vorgaben gebunden, etwa den Einsatz von Fachkräften in jeder Gruppe“, so Arend.

Verschlechterte Situation in allen Wittener Kitas

Kämpft mit Personalausfällen: die evangelische Kita „Kleine Freunde
Kämpft mit Personalausfällen: die evangelische Kita „Kleine Freunde" in Wittern-Bommern. © FUNKE Foto Services | Stephan Lucka

Seit einigen Wochen und mit Beginn der Erkältungssaison hat sich die Situation in allen Wittener Kindergärten erheblich zugespitzt, bestätigt die Wittener Stadtverwaltung. „Auch wir haben aktuell hohe Krankenstände. Dennoch gelingt es uns bislang glücklicherweise, das Angebot weitgehend aufrechtzuerhalten“, so Sprecher Jörg Schäfer.

Ein anderes Beispiel ist die evangelische Kita „Kleine Freunde“ in Bommern. Seit Ende Oktober gibt es in der Drei-Gruppen-Einrichtung an der Rigeikenstraße kaum noch einen Regelbetrieb. „Für berufstätige Eltern ist die Situation nicht länger tragbar“, sagt eine Mutter. Über die 45-Stunden-Betreuungsverträge für ihre beiden Kinder kann die Hevenerin nur den Kopf schütteln. Teilweise blieb die Kita an fünf aufeinanderfolgenden Tagen geschlossen. Oft wurden Sohn und Tochter nicht gleichzeitig betreut. Aktuell gilt ein rotierendes Modell. Ein Teil der Kinder darf montags, mittwochs und freitags kommen, in der Folgewoche dann dienstags und donnerstags.

Den Eltern wurde eine Bescheinigung für den Arbeitgeber ausgestellt, damit sie freigestellt werden. Für die Krankenhausärztin ist es unvorstellbar, diese zu nutzen. „Sollen an diesen Tagen dann zum Beispiel keine Chemotherapien stattfinden?“ fragt sie. Stattdessen werde improvisiert. Mal springen die Großeltern ein, mal wechseln sich die Eltern mit der Betreuung mehrerer Kinder ab.

Träger plant Gespräch mit Elternbeirat

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Beim Evangelischen Kindergartenverbund hat man großes Verständnis für diese Nöte. „Die Situation ist für Kinder und Eltern sehr belastend“, heißt es. Dabei habe der Träger zu Beginn des neuen Kindergartenjahres am 1. August in vielen seiner Einrichtungen deutlich mehr Personal eingestellt, als aufgrund des Kinderbildungsgesetzes notwendig sei. Trotzdem machten viele krankheitsbedingte Ausfälle aktuell eine zuverlässige Betreuung unmöglich.

Chance in „Alltagshelfern“

Auch der Awo, neben der Stadt der größte Kindergarten-Träger in Witten, macht der massive Fachkräftemangel in den Kitas Sorgen. „Stellen bleiben immer länger unbesetzt“, so die neue Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt EN, Esther Berg. Grund sind nicht nur eine anstehende Verrentung der „Babyboomer“-Generation, es sind auch die Rechtsansprüche auf einen Kindergartenplatz und in der Offenen Ganztagsbetreuung ab 2026. Auch dafür müssen pädagogische Fachkräfte eingestellt werden.

Der pensionierte Awo-Chef Jochen Winter sieht eine Chance in „Alltagshelfern“. Sie sind in der Regel nicht pädagogisch vorgebildet, helfen aber in den Kitas mit: desinfizieren Räume und Spielzeug oder arbeiten in der Küche. Diese Personen könne man langfristig für eine Erzieherausbildung gewinnen.

Im Fall der „Kleinen Freunde“ ist in dieser Woche ein Gespräch mit dem Elternbeirat geplant. „Wir haben bereits nach alternativen Möglichkeiten gesucht, die wir den Eltern vorstellen möchten“, sagt die Geschäftsführerin. Sie beruhigt: Sofern die Mitarbeitenden wieder gesund seien, „kann in der nächsten Zeit der Betrieb wieder vollumfänglich aufgenommen werden“. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Kitas gebe es in Bommern keine unbesetzten Stellen.