Witten. Mit steigenden Zinsen platzt auch für viele Wittener der Traum vom Eigenheim. Was man mitbringen sollte, um Immobilienbesitzer zu werden.
Eine Doppelhaushälfte in Herbede für 399.000 Euro, ein Reiheneckhaus in Rüdinghausen für 390.000 Euro oder ein frei stehendes Einfamilienhaus in Bommern für rund 650.000 Euro: Wer derzeit auf der Suche nach einem Eigenheim in Witten ist, der findet auf Immobilien-Portalen im Internet eine große Auswahl. Doch für viele ist der Traum vom Eigenheim mit steigenden Zinsen in weite Ferne gerückt. Wer kann sich heute überhaupt noch eine Immobilie leisten? Und was sollte man dafür mitbringen?
Die schlechte Nachricht direkt zu Beginn: „Für die Mittelschicht wird es eng“, sagt Volker Große-Herzbruch, Gebietsleiter der LBS für Witten, Bochum und Hattingen. Viele Menschen, die bis vor Kurzem noch die Möglichkeit hatten, sich ein Haus zu kaufen, könnten dies nun nicht mehr, sagt der Immobilienexperte. Das betreffe auch Kunden, die bei dem Baufinanzierer bereits als suchend registriert sind. „In vielen vielen Fällen geht es jetzt nicht mehr“, so Große-Herzbruch.
Nur 200.000 statt 400.000 Euro-Kredit finanzierbar
Warum das so ist, zeigt eindrücklich ein Rechenbeispiel der Verbraucherzentrale: Wer 1000 Euro im Monat für die Rate fürs Haus ausgeben kann oder möchte, konnte damit Anfang des Jahres (bei einem Zinssatz von rund einem Prozent) noch einen Kredit über 400.000 Euro finanzieren. Wer zu den aktuellen Konditionen einen neuen Baukredit aufnimmt, der zahlt im Schnitt vier Prozent Zinsen – und kann mit der monatlichen Rate von 1000 Euro nur noch einen Kredit über 200.000 Euro abstottern. „Das ist massiv. Und das passiert heute“, sagt Thomas Hentschel, Referent für Finanzen bei der Verbraucherzentrale NRW. „Die Möglichkeiten, mit Fremdkapital eine Immobilie zu finanzieren, sind deutlich zurückgegangen.“
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Dabei sind aber gar nicht die gestiegenen Zinsen allein das Problem. „Historisch gesehen bewegen wir uns auf einem Zinsniveau wie vor zehn Jahren“, ordnet Hentschel ein. Problematisch für Käufer wird das Ganze aber in Kombination mit den derzeit hohen Immobilienpreisen, die Jahr für Jahr noch oben geklettert sind – und wohl erst im Frühjahr zeitversetzt anfangen werden zu fallen. „Die Preise hinken immer ein bis zwei Quartale hinterher“, sagt Grischa Klawe, Abteilungsleiter des Immobiliencenters der Sparkasse. „Aber wer weiß, auf welchem Zinsniveau wir uns dann bewegen.“
Monatliche Rate steigt um 800 Euro
Auch bei der Sparkasse spürt man eine deutliche Kaufzurückhaltung der Kunden – und ist wenig überrascht. Für eine klassische vierköpfige Familie steige die monatliche Ratenbelastung etwa um 800 Euro bei einem Kredit über 400.000 Euro, so Klawe. Heißt: Wer vor einem Jahr ein Haus zu diesem Preis erworben und eine Finanzierung abgeschlossen hat (meist über zehn Jahre), zahlt 1200 Euro monatliche Rate. Wer das heute tut, muss monatlich 2000 Euro zurückzahlen.
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„Hinzu kommt noch die generelle Unsicherheit: die Inflationsrate, die unkalkulierbaren Energiekosten“, so der Immobilien-Experte. All das schlage bei den Lebenshaltungskosten, die bei einer Kreditvergabe berücksichtigt werden müssen, zusätzlich zu Buche. Grob überschlagen schätzt der 37-Jährige, dass jene vierköpfige Musterfamilie aktuell zusätzliche 1500 Euro aus ihrem Netto-Einkommen für gestiegene Zinsen und höhere allgemeine Kosten aufbringen müsse – also 3000 Euro brutto. „Das ist heftig“, so Klawe. „Und da scheitern jetzt doch schon viele dran.“ Ein Familien-Monatseinkommen ab 8000 Euro brutto – gerne noch höher – sieht Klawe deshalb als Basis für einen möglichen Hauskauf an.
4000-5000 Euro netto im Monat als Basis für Hauskauf
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So sieht es auch der Baufinanzierer LBS. Hier sollte für eine Familie das Netto-Einkommen sogar noch etwas höher – bei 4500 bis 5000 Euro – liegen. „Da fällt die untere und mittlere Mittelschicht raus“, sagt Volker Große-Herzbruch. Es bleiben als potenzielle Käufer die klassischen Gutverdiener-Paare, etwa Lehrer. Oder jene, die viel Eigenkapital mitbringen – oftmals von den Eltern unterstützt oder geerbt. „Es gibt immer noch eine breite Masse, die sich interessiert“, sagt Klawe. Laut LBS sollte der Eigenkapitalanteil für eine solide Finanzierung mindestens 20 Prozent des Kaufpreises betragen. So sieht es auch die Verbraucherzentrale.
Die Vorteile für diejenigen, auf die die genannten Kriterien zutreffen: Aktuell sind viele Objekte auf dem Markt, für die sich weniger Menschen interessieren. Verhandlungen um den Kaufpreis seien wieder möglich.